Der "Großvater" des Erfolgs

Saarbrücken. Er war schon weg vom Fenster. So gut wie entlassen. Jedenfalls sah es die Boulevard-Presse im August 2009 so. Zwei Spiele, null Punkte, 1:9 Tore - schlechter hätte Dieter Ferner mit dem 1. FC Saarbrücken nicht in die Regionalliga West starten können. Nun gut - der FCS war Aufsteiger

 Dieter Ferner obenauf: Nach dem Aufstieg in die 3. Liga tragen die Fans den Trainer des 1. FC Saarbrücken auf Händen. Foto: Eibner

Dieter Ferner obenauf: Nach dem Aufstieg in die 3. Liga tragen die Fans den Trainer des 1. FC Saarbrücken auf Händen. Foto: Eibner

Saarbrücken. Er war schon weg vom Fenster. So gut wie entlassen. Jedenfalls sah es die Boulevard-Presse im August 2009 so. Zwei Spiele, null Punkte, 1:9 Tore - schlechter hätte Dieter Ferner mit dem 1. FC Saarbrücken nicht in die Regionalliga West starten können. Nun gut - der FCS war Aufsteiger. Aber das 0:6 gegen Saar-Rivale SV Elversberg und das 1:3 zu Hause gegen Mario Baslers Eintracht Trier tat der blau-schwarzen Seele weh. Und so stellten sich die Aufgeregten unter den FCS-Anhängern und die Dauer-Nörgler unter den Nicht-Anhängern die Frage, ob die Regionalliga nicht doch eine Nummer zu groß sei für Ferner. Schließlich war die Torwart-Ikone des FCS der späten Siebziger Jahre als Trainer auf überregionaler Ebene noch nie in Erscheinung getreten.

Und heute? Die SV Elversberg liegt auf Platz sieben, Eintracht Trier ist so gut wie abgestiegen, und Mario Basler längst entlassen. Dieter Ferner hingegen darf feiern. Den Aufstieg in die 3. Fußball-Liga, seine Mannschaft und auch ein gutes Stück sich selbst. Denn auch wenn er das gar nicht gerne hört: Dieter Ferner, 61 Jahre, geboren in Wuppertal, ist der Vater - ach was, Großvater des Erfolges.

Wenn Ferner sich schon als Aktiver im FCS-Tor mit großartigen Paraden zu einer Kultfigur machte, dann hat er nun, da er den Verein nach bitteren Jahren innerhalb von nur zwei Spielzeiten in den "richtigen" bezahlten Fußball zurückführte, Legendenstatus erreicht. Ein Denkmal wollen sie ihm bauen, die Fans, am besten am Ludwigskreisel direkt unterhalb des altehrwürdigen Ludwigspark-Stadions, das heute fast genauso aussieht wie am 12. Oktober 1975, als Ferner gegen die Stuttgarter Kickers sein erstes Spiel für die Blau-Schwarzen machte. Weitere 147 sollten folgen.

Nach seiner Zeit im Saarland führte Ferners Weg über den 1. FC Bocholt in die USA. Die Profiliga dort hatte keinen langen Bestand - Ferners Erinnerungen schon. Denn er wurde Meister mit Chicago Sting. Der 1:0-Sieg gegen Cosmos New York gehört zu den Höhepunkten seiner aktiven Karriere - vor allem, weil er für europäische Verhältnisse so kurios zu Stande kam. "Da standen Stars auf dem Feld", erinnert sich Ferner, "ich glaube, es standen mehr als 800 Länderspiele auf dem Platz." Johan Neeskens etwa, der Niederländer, der 1974 im WM-Finale gegen Deutschland den Elfmeter zum 1:0 verwandelte. Oder der Italiener Giorgio Chinaglia, der in den USA in 213 Spielen 193 Tore erzielte. Nach regulärer Spielzeit stand es 0:0. Ein sogenanntes "Shootout" musste her, bei dem der Angreifer mit dem Ball auf den Torwart zuläuft und fünf Sekunden Zeit für den Abschluss hat. Ferner, der bei B-Kreisligist TuS Radevormwald das Fußball-ABC gelernt hatte, kassierte kein einziges Tor, Chicago war Meister.

Den blau-schwarzen Anstrich seines Herzens hatte Ferner aber nie verloren und kehrte zum FCS zurück, hatte bis 2005 die verschiedensten Ämter im Jugend- und Amateurbereich inne. Nach zwei kurzen Episoden bei den Verbandsligisten FC Kutzhof (2005-2006) und SC Friedrichsthal (2007-2008) ereilte ihn der Ruf des FCS, der von der 2. Bundesliga bis in die Oberliga abgestürzt war.

"Der FCS ist mein Verein" - Ferners Worte bei seiner Vorstellung am 3. Juni 2008 hätten nicht besser gewählt sein können. Ab diesem Tag wehte ein anderer Wind beim FCS. Ferner predigte Bescheidenheit außerhalb des Spielfelds und Kampfgeist auf dem Platz. Der Respekt der Spieler war Ferner, der bei minus zehn Grad Celsius im Winter gerne mal mit hochgekrempelter Trainingshose auf dem Platz steht, gewiss. Solche Gesten kamen an - bei den Fans und der Mannschaft, mit der er sofort in die Regionalliga marschierte. Auch da hielt Ferner den Ball flach - von einem Durchmarsch redete keiner. Im Gegenteil: "Mittelfristig muss es unser Ziel sein, aus der Regionalliga herauszukommen", formulierte Ferner vor der Saison beim Besuch bei der Saarbrücker Zeitung. "Ob ich dann noch Trainer sein werde, sei mal dahingestellt." Aus mittel- ist nun kurzfristig geworden. Und die Trainerfrage stellt sich tatsächlich.: Ferner hat keinen Fußball-Lehrer-Schein, der in der 3. Liga gefordert wird. Aber ganz gleich, ob er Trainer bleibt, irgendwann Sportdirektor wird oder ein anderes Amt beim FCS bekleidet - die Rückkehr der Molschder in den Profifußball wird auf ewig mit seinem Namen verbunden sein. Und selbst wenn er ganz aufhört - weg vom Fenster sein, das wird er nie.

 Immer auf Ballhöhe: Dieter Ferner hütete in seiner aktiven Zeit in den 70er Jahren das Tor des 1. FC Saarbrücken. Foto: Hartung

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