Start der schwarz-roten Sondierungen Der erste (optimistische) Tag der Sondierer

Berlin · Zehn Stunden dauerte es: Union und SPD haben die erste Runde ihrer Gespräche hinter sich: Viel dringt nicht nach außen. Aber die Stimmung soll gut sein.

 Optimistisch zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel gestern vor dem Start der Sondierungsgespräche.

Optimistisch zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel gestern vor dem Start der Sondierungsgespräche.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Martin Schulz empfängt die Besucher höchstpersönlich. An der gläsernen Eingangstür der SPD-Zentrale begrüßt der Chef der Sozialdemokraten morgens um kurz vor 10 erst den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) stößt dazu. Dann kommt die Kanzlerin. „Herzlich willkommen im Willy-Brandt-Haus“, sagt Schulz. „Ist Ihnen ja bekannt, ne?“ Ja, ist ihr bekannt. Die CDU-Chefin hat hier schon manche Stunde verbracht. Vor vier Jahren etwa, in der letzten Nacht der Verhandlungen von Union und SPD, als beide Seiten die bis heute amtierende große Koalition vereinbarten. Nun also das Ganze noch mal?

Tag eins der Sondierungen von Union und SPD, Tag 105 nach der Bundestagswahl – und die Parteichefs mühen sich, etwas gute Laune zu verbreiten. Als Schulz am Morgen vor die Mikrofone tritt, hat er einen freundlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Wir ziehen keine roten Linien, aber wir wollen möglichst viel rote Politik in Deutschland durchsetzen.“

Schon die Ortswahl hat Symbolisches. Angela Merkel als Verhandlungsführerin überlässt Schulz den ersten Auftritt als Hausherr – und damit die Bilder. Sie zeigen, dass die Kanzlerin mit ihrem Gefolge in die rote Zentrale kommen muss, um sieben Wochen nach den an der FDP gescheiterten Jamaika-Sondierungen vielleicht doch noch ihre vierte stabile Regierung hinzubekommen. Auch die wohl bis tief in die Nacht zu diesem Freitag dauernden Abschluss-Verhandlungen werden im Willy-Brandt-Haus sein. Offensichtlich will man, dass Schulz und seiner SPD die Verkündung von Erfolg oder Misserfolg der Sondierung obliegt. Und es wird damit zugleich die besondere Verantwortung der Sozialdemokraten klar gemacht: Mit ihnen steht und fällt eine stabile große Koalition.

Wie Schulz, so geben sich auch Seehofer und Merkel optimistisch. „Allerdings ist mir klar, dass in den nächsten Tagen auch ein Riesenstück Arbeit vor uns liegt“, sagt Merkel, während Demonstranten auf der anderen Straßenseite in ihre Trillerpfeifen pusten.

Besonders wichtig ist den Spitzen von Union und SPD, dass nun möglichst nichts an die glücklosen Jamaika-Tage erinnert. Ein anderer Modus soll her, ein anderer Stil. Keine Begleit-Provokationen per Interview, keine Durchstechereien. Während die Jamaika-Parteien am Rande ihrer Gespräche ausgiebig auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft für die Kameras posierten, schotten sich die potenziellen Partner diesmal ab. Die Fenster zu den oberen Stockwerken der SPD-Zentrale, wo die Unterhändler tagen und Kartoffelsuppe mit Würstchen löffeln, sind abgeklebt. Die drei Parteien haben sich weitgehendes Schweigen verordnet.

Solange die Gespräche laufen, sollen die Sondierer keine Interviews geben. Am Ende jedes Verhandlungstages soll nur der Generalsekretär der jeweiligen Gastgeberseite ein abgestimmtes Statement verkünden – gestern ist das SPD-Mann Lars Klingbeil. Viel hat er nicht zu verraten, als er abends gegen 20 Uhr vor die Mikrofone tritt. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen. „Man kennt sich.“ In manchen Arbeitsgruppen sei man schon weit, in anderen weniger. Man befinde sich in einer neuen Zeit, brauche eine neue Politik – und einen neuen politischen Stil. Was genau das bedeuten soll, lässt er offen.

Dass sich etwas ändern muss, wissen aber auch die Parteichefs von CDU, CSU und SPD. Alle drei sind nach den miserablen Wahlergebnissen ihrer Parteien schwer angeschlagen. Es sind entscheidende Tage für viele.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort