Das Milliardengeschäft mit der orangen TonneOrange Tonne wird auf Saarbrücker Eschberg getestet

Berlin. Plötzlich steht eine orangene Tonne im Hof. Nach Tonnen für Hausmüll, Papier, Weißglas, Buntglas und Bioabfälle ist sie der sechste Behälter zur Müllentsorgung. Weiße Buchstaben künden davon, dass es sich um die Wertstofftonne der Berliner Stadtreinigung (BSR) handelt

 Die orange Tonne ist zum Symbol eines "Müllkriegs" in Berlin geworden. Dem will die Bundesregierung mit einem Gesetz nun Einhalt gebieten. Foto: dpa

Die orange Tonne ist zum Symbol eines "Müllkriegs" in Berlin geworden. Dem will die Bundesregierung mit einem Gesetz nun Einhalt gebieten. Foto: dpa

Berlin. Plötzlich steht eine orangene Tonne im Hof. Nach Tonnen für Hausmüll, Papier, Weißglas, Buntglas und Bioabfälle ist sie der sechste Behälter zur Müllentsorgung. Weiße Buchstaben künden davon, dass es sich um die Wertstofftonne der Berliner Stadtreinigung (BSR) handelt. Darunter sind Symbole, was alles rein darf: Mixer, Spielzeugenten, Kochtöpfe, CDs, Kunststoffe wie etwa Gießkannen, Holz und alte Kleidung. Nicht rein dürfen Verpackungen, Energiesparlampen und Batterien. Doch die Tonne wird zumeist kaum ganz gefüllt, manchmal wird auch der normale Müllsack reingeworfen, wenn die anderen Tonnen voll sind. Die orange Box ist in der Hauptstadt zum Symbol eines "Müllkriegs" zwischen der städtischen BSR und dem privaten Entsorger Alba geworden. Der Senat untersagte Alba einen Modellversuch mit einer "Gelben Tonne Plus", um darüber Wertstoffe zu sammeln. Die BSR startete ihrerseits die orangene Box. Viele Bürger sind verwirrt.Das Bundeskabinett will diesen Entwicklungen Einhalt gebieten und hat gestern beschlossen, dass es künftig eine klare Grundlage für die flächendeckende Einführung von Wertstofftonnen geben soll. Das Ganze ist ein Milliardengeschäft, entsprechend erbittert wird von den Lobbygruppen hinter den Kulissen gekämpft. "Wir wollen verhindern, dass private Entsorger und Kommunen wie wild überall ihre Tonnen aufstellen", betont der FDP-Umweltpolitiker Horst Meierhofer. Der Kompromiss sieht eine Ausschreibung und Vergabe der Entsorgung durch eine neutrale Stelle vor. Der Berliner Senat dürfte demnach nicht einfach die Ausschreibung machen und dann der BSR den Zuschlag geben.

Da aber noch viele Fragen offen sind, wird das Umweltbundesamt (UBA) mit kommunalen und privaten Entsorgern zunächst ein Planspiel durchführen, um diverse Optionen zur Organisation und Finanzierung der Sammlung, Sortierung und Verwertung zu testen. Bis spätestens 2015 soll die neue Tonne bundesweit kommen. Zu klären ist auch noch, ob Elektrokleingeräte und Handys mit eingesammelt werden dürfen.

Bisher werden nach Schätzungen rund 60 Prozent der Altgeräte wie Handys über den Hausmüll entsorgt und landen in einer der rund 70 Müll-Verbrennungsanlagen. Das Potenzial eines Abfangens der "Müllschätze" durch eine neue Tonne ist enorm: Eine Tonne Golderz bringt sechs Gramm Gold, eine Tonne alte Handys ganze 250 Gramm Gold.

Mit der nun beschlossenen Neufassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, bei dem die Wertstofftonne nur ein Aspekt von vielen ist, soll angesichts knapper Rohstoffe ein umfassenderes Recycling erreicht und die jetzige Quote von etwa 65 Prozent erhöht werden.

Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln konnten in den vergangenen Jahren durch Wiederverwertung bereits jährlich Rohstoffimporte in Höhe von rund fünf Milliarden Euro gespart werden. 2009 wurden in Deutschland aus Müll Sekundärrohstoffe im Wert von 8,4 Milliarden Euro produziert, bis 2015 sind demnach 18 Milliarden Euro möglich. Saarbrücken. Im Saarland testet seit Februar der Zentrale Kommunale Entsorgungsbetieb (ZKE) die orange Tonne auf dem Saarbrücker Eschberg. Dort haben sich nach Angaben von ZKE-Chef Bernd Selzner 150 Eigentümer, die meisten Wohnungsbaugesellschaften, zum Pilotprojekt gemeldet. Dabei hat allerdings die orange Tonne die gelben Säcke noch nicht überflüssig gemacht. Die orange Tonne wird gefüllt mit Kunststoffen wie Kinderspielzeugen, Metallen wie etwa Bratpfannen, Holzteilen und kleinen Elektrogeräten. Noch hat die ZKE keine Reaktionen erhalten - die erste Leerung findet erst Mitte April statt.

Die gelben Säcke werden im Saarland mit Ausnahme der Kreise Merzig und St. Wendel von der privaten Firma Paulus in Sulzbach abgeholt. Bislang gibt es im Saarland neben der üblichen grauen Tonne die grüne Tonne für organischen Abfall und die blaue Tonne für Papier und Pappe. ine

Bürger soll selbst aktiv werden

Von SZ-MitarbeiterRalf Müller

Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, wenn Wertstoffe gesammelt und wiederverwertet werden. Aber wie das so ist: Schon konzentriert sich die Debatte darauf, wer den Reibach in dem Geschäft mit den wertvollen Rohstoffen machen darf. Denn im Zeitalter der knapper werdenden Rohstoffe und Edelmetalle ist das Einsammeln derselben ein gutes Geschäft, auf das verständlicherweise private Entsorgungsunternehmen ein Auge geworfen haben. Die öffentlichen Entsorgungsbetriebe aber sind nicht damit einverstanden, dass ihnen nur der "Dreck" bleiben soll. Warum kann man den Gemeinden und Städten nicht überlassen, wie sie die Abfälle erfassen? Die Bürger könnten sich durch aktives Tun dagegen wehren, dass schon wieder Gewinne privatisiert und Verluste kommunalisiert werden sollen. Sie könnten die Wertstoffe selbst sammeln und entweder weiterhin bei kommunalen Wertstoffhöfen oder dort abliefern, wo etwas dafür bezahlt wird. Das ist unbequemer, aber dann würde sich eine weitere Tonne erübrigen, von der man ohnehin nicht weiß, wo sie noch hin soll.

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