Das Milliarden-Geschacher beginnt

Hunderte Milliarden Euro werden jährlich auf Bund, Länder und Kommunen verteilt. Der seit Jahrzehnten umkämpfte Länderfinanzausgleich macht dabei nur einen kleinen Teil aus. Das System, nach dem die Steuern verteilt werden, läuft 2019 aus. Hinter den Kulissen haben bereits die Verhandlungen über eine Neuordnung begonnen. Im Mittelpunkt steht dabei unter anderem die künftige Verteilung der Milliarden, die bislang in den Osten fließen. SZ-Redakteur Daniel Kirch erklärt die vier Stufen der Geldverteilung und die Konflikte in den aktuellen Verhandlungen.

1.Das gesamte Steueraufkommen der Bundesrepublik (2013: 620 Milliarden Euro ) wird zunächst auf die Ebenen Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Die Einkommensteuer geht beispielsweise zu je 42,5 Prozent an den Bund und die Länder sowie zu 15 Prozent an die Kommunen. Die Körperschaftsteuer teilen sich Bund und Länder je zur Hälfte. Die Umsatzsteuer steht zu rund 53 Prozent dem Bund, zu rund 45 Prozent den Ländern und zu rund zwei Prozent den Kommunen zu. Reine Bundessteuern sind Energie-, Tabak- und Versicherungssteuer, reine Ländersteuern die Erbschaft- und Grunderwerbsteuer. Reine Gemeindesteuern: Gewerbesteuer, Grundsteuer und örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuern (Hunde-, Zweitwohnsitz-, Jagdsteuer).

Konflikt: Die Länder fordern vom Bund zur Einhaltung der Schuldenbremse einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer - rund 21 Milliarden Euro .

2. Nun folgt die Verteilung der Steuern , die der Gesamtheit aller Bundesländer zustehen, auf die einzelnen Länder. Grundsätzlich gilt: Jedes Land bekommt das, was seine Finanzämter einnehmen. Entscheidend für dieses örtliche Aufkommen ist der Wohnsitz eines Steuerzahlers. In Bundesländern wie Bayern oder Hessen , in dem hohe Löhne und damit viele Steuern gezahlt werden, ist das Steueraufkommen also höher. Für die Umsatzsteuer gilt eine Ausnahme: Sie wird gleichmäßig auf die Länder pro Kopf verteilt. Durch weitere Mechanismen wird die Umsatzsteuer zusätzlich bereits genutzt, um die aus dem örtlichen Aufkommen resultierenden Nachteile ärmerer Bundesländer auszugleichen (Umsatzsteuerausgleich) - es findet hier also ein erster Finanzausgleich statt. Umverteilt wurden 2013 rund 7,3 Milliarden Euro .

Konflikt: Länder wie Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen greifen den Umsatzsteuerausgleich an: Es handele sich um einen "versteckten" Finanzausgleich , der sie von Geber- zu Nehmerländern mache (siehe Grafik). Die Einkommensteuer-Verteilung nach dem Wohnort-Prinzip wird vom Saarland und Bremen kritisiert. So müssen etwa die saarländischen Finanzämter die Lohnsteuer zehntausender Pendler aus der Westpfalz und Frankreich, die im Saarland arbeiten, an deren Wohnort abführen. Das Saarland fordert daher, dass sich die Verteilung der Steuern stärker am Arbeitsort orientiert statt am Wohnort. Für Steuern auf Dividendeneinkünfte gilt der Wohnort des Anlegers wiederum nicht, denn diese werden von den Banken an das Land des Konzernstandorts abgeführt. Die Kapitalertragsteuern fließen also in Länder mit vielen Bank-Zentralen: Baden-Württemberg, Bayern , NRW, Hessen .

3. Es folgt der eigentliche Länderfinanzausgleich. Hier wurden 2013 rund 8,5 Milliarden Euro umverteilt. Die entscheidende Größe ist hier die sogenannte Finanzkraft eines Bundeslandes. Sie errechnet sich aus der Summe der ihm zugewiesenen Steuereinnahmen aus Schritt 2 und der Summe der Einnahmen seiner Gemeinden. Die Gemeinde-Einnahmen werden jedoch nur zu 64 Prozent berücksichtigt. Der Finanzkraft eines Landes wird sein Finanzbedarf gegenübergestellt. Das System geht davon aus, dass alle Länder grundsätzlich den gleichen Finanzbedarf je Einwohner haben, der dem Durchschnitt der Finanzkraft aller Bundesländer entspricht. Es gibt aber Ausnahmen: Für die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie für die dünn besiedelten Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wird von einem höheren Finanzbedarf ausgegangen. Ein Bundesland, dessen Finanzkraft je Einwohner unter dem Durchschnitt der Bundesländer liegt, bekommt Geld aus dem Finanzausgleich (Nehmerland). Ein Land, dessen Finanzkraft überdurchschnittlich ist, zahlt ein (Geberland).

Konflikt: Bayern und Hessen halten die Bevorzugung der Stadtstaaten und der ostdeutschen Bundesländer für verfassungswidrig; sie haben daher in Karlsruhe geklagt. Außerdem müssen die Geberländer ihrer Ansicht nach zu viel in das System einzahlen. Die Kläger sähen es am liebsten, wenn Berlin, das besonders viel Geld erhält, ganz aus dem Ausgleichssystem gekegelt würde und der Bund künftig die Defizite der Hauptstadt ausgleichen müsste. Bayern und Hessen sind auch der Meinung, dass die Gemeindefinanzen mit 64 Prozent zu stark berücksichtigt werden - das Saarland mit seinen hoch verschuldeten Kommunen ist genau gegenteiliger Ansicht.

4. In der letzten Stufe folgen dann noch Hilfen des Bundes, sogenannte Bundesergänzungszuweisungen (BEZ). Neben allgemeinen BEZ zur weiteren Auffüllung der unterdurchschnittlichen Finanzkraft (2013: 3,2 Milliarden) gibt es auch Sonderbedarfs-BEZ. So erhalten die Ost-Länder und Berlin Hilfen wegen ihrer teilungsbedingten Sonderlasten, beispielsweise zum Ausbau der Infrastruktur ("Solidarpakt II", 6,55 Milliarden Euro ), sowie zum Ausgleich von Sonderlasten wegen hoher Arbeitslosigkeit (0,7 Milliarden Euro ). Diese werden jedoch wiederum durch die Ländergesamtheit finanziert, weil der Bund hierfür auf Kosten der Länder einen höheren Anteil der Umsatzsteuer bekommt. Die Ost-Länder und Berlin sowie Bremen , Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein erhalten Sonderbedarfs-BEZ zum Ausgleich für die Kosten der politischen Führung, also für Landtag, Landesregierung und Ministerialverwaltung (0,5 Milliarden Euro ).

Konflikt: Bayern und Hessen kritisieren die Sonder-BEZ für die Kosten der politischen Führung: Zu viele Länder bekämen diese Hilfen, und die Höhe sei zudem nicht angemessen. Nordrhein-Westfalen und das Saarland monieren, dass ein besonderer Finanzbedarf nur für die Ost-Länder anerkannt wird, nicht jedoch für ihre Länder, die unter hohen Altlasten durch den Strukturwandel leiden. Es sei an der Zeit, dass der Bund den "Soli" nicht mehr nur für die Ostländer verwendet, sondern auch für jene Länder im Westen, die wegen des Strukturwandels hoch verschuldet sind. Auch Bremen , Hamburg, Berlin, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein fordern eine solche Hilfe.

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