Will Israel die Hamas doch stürzen?

Die israelische Armee dringt am Boden immer tiefer in den Gazastreifen ein. Beschränkt das Militär sich dabei auf die Zerstörung der Hamas-Tunnel in dem Palästinensergebiet? Hier wichtige Fragen und Antworten zum Konflikt.

Warum dringt die israelische Armee mit Bodentruppen in dicht besiedelte Wohngebiete im Gazastreifen vor?

Die radikal-islamische Hamas hat nach Darstellung der israelischen Armee vor allem die Außenbezirke der Stadt Gaza in eine Art Festung militanter Kämpfer verwandelt. In dem Viertel Sadschaija, wo es besonders viele Opfer unter den Zivilisten gab, seien viele Tunnel-Eingänge gefunden worden. Diese führten unterirdisch auf israelisches Gebiet und sollten für Anschläge und Entführungen genutzt werden. Auch viele Raketen seien aus den dicht besiedelten Wohnvierteln auf Israel abgefeuert worden. Hamas-Kämpfer hätten die Soldaten aus Häusern mit Panzerfäusten angegriffen, im Straßenkampf würden Selbstmordattentäter eingesetzt. Israel bedauert die vielen Opfer unter Frauen und Kindern, wirft Hamas jedoch vor, selbst die Verantwortung dafür zu tragen. Man habe die Menschen vor den Angriffen zum Verlassen ihrer Häuser aufgerufen, die Hamas habe sie teilweise sogar daran gehindert.

Wie lange hält das Blutvergießen im Palästinensergebiet noch an?

Israel will der Hamas mit der Bodenoffensive einen schweren Schlag versetzen. Der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon sagte, der Löwenanteil der Tunnel könnte in "zwei bis drei Tagen" zerstört sein. Gleichzeitig stimmt Israel seine Bevölkerung auf "lange und schwere Tage des Kämpfens" ein. Gestern wurden nach palästinensischen Angaben 31 Palästinenser getötet, darunter zahlreiche Kinder. Die Armee tötete am Morgen zudem zehn Hamas-Kämpfer, die durch Tunnel in den Süden Israels eingedrungen waren. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und US-Außenminister John Kerry reisten in die Region, um zu vermitteln.

Warum stimmt die Hamas trotz der vielen Toten unter der Zivilbevölkerung keiner Waffenruhe zu?

Hamas will mit den Raketenangriffen auf Israel eine grundlegende Veränderung der Lage im Gazastreifen bewirken. Die Situation der radikal-islamischen Organisation ist so schlecht, dass sie kaum noch etwas zu verlieren hat. Sie will Israel und Ägypten mit Gewalt zwingen, die jahrelange Blockade des Küstenstreifens am Mittelmeer aufzuheben.

Will Israel die Hamas jetzt doch stürzen?

Angesichts der nie da gewesenen Isolation und Schwächung der Hamas ist für Israel die Versuchung groß, einen Sturz des Erzfeinds anzustreben. Immer mehr Politiker bezeichnen Hamas angesichts der Raketenangriffe auf fast ganz Israel als "strategische Bedrohung". Gleichzeitig betont Israel immer wieder, es sei keineswegs Ziel der gegenwärtigen Offensive, die Hamas zu entmachten. Ein solches Vorhaben wäre für Israel auch äußerst riskant: Es wäre mit noch deutlich mehr Toten unter der palästinensischen Zivilbevölkerung verbunden. Dies würde wiederum die internationale Entrüstung und Wut gegen Israel weiter schüren. Es gibt zudem Warnungen, nach Hamas könnten unter dem Eindruck der Gewalt sogar noch radikalere Gruppen an die Macht kommen. Der gemäßigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas würde als Kollaborateur Israels angesehen, sollte er nach einem Hamas-Sturz im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernehmen. Ohne Zweifel genießt Israel wie jedes andere Land das Recht zur Selbstverteidigung. Es darf sich gegen die irrsinnigen Raketenangriffe der Hamas wehren. Doch sind dazu alle Mittel legitim? Mit Flugblättern und Textmeldungen warnt die Armee die Zivilbevölkerung im Gazastreifen , bevor sie die Häuser bombardiert. Doch das nützt wenig, wenn jeder Fluchtweg versperrt ist. Nirgendwo in Gaza gibt es einen sicheren Ort. Es muss deshalb Auswege für die Zivilbevölkerung geben. Nur müsste Ägypten im Süden dafür einer Öffnung der Grenze zustimmen - sei es nur für wenige Stunden. Wer Menschen in Not die Tür versperrt, trägt mit Schuld an ihrer Tragödie.

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