Bauplan für die Bankenunion steht

Kurz nach Mitternacht am Donnerstagmorgen brach in Brüssel wieder einmal die Stunde der historischen Worte an. „Wir revolutionieren den Finanzsektor“, triumphierte EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier.

Pierre Moscovici, Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister, meinte: "Die Architektur, die wir brauchen, um Krisen zu begegnen, ist geschaffen." Nur Berlins Kassenwart Wolfgang Schäuble schlug leisere Töne an: Die Einigung sei der "richtige Beitrag, um eine weltweite Stabilisierung des Finanzsektors zu erreichen".

Gerade noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der 28 Staats- und Regierungschefs gestern Nachmittag zum EU-Gipfel hatten die Finanzminister den Bauplan für die künftige Bankenunion fertiggestellt. Das Gebäude ruht auf drei Säulen: der gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht, die die 130 größten Institute direkt überwachen soll, sowie die übrigen 6000 auf dem Umweg über die nationalen Aufseher. Das zweite Standbein stellt die gemeinsame Einlagensicherung dar, die man in der Nacht zuvor ausgehandelt hatte. Als dritte Säule soll der künftige Abwicklungsmechanismus die Union tragen - eine Risikokasse, die die Banken in den nächsten zehn Jahren mit insgesamt 55 Milliarden Euro anfüllen. Bis dahin darf der Fonds auch Kredite aufnehmen, um Banken zu helfen. Diese müssen das Geld aber zurückzahlen.

Kernbotschaft dieser Konstruktion: Sparer und Steuerzahler sind aus der Haftung raus. Der Finanzexperte der SPD-Europa-Abgeordneten, Peter Simon, formulierte das vorweihnachtlich: "Die frohe Botschaft für den Steuerzahler: Durch die von den Banken selbst zu füllenden Sicherungsfonds für mögliche Schieflagen erhält der Schutzwall für die Steuerzahler endlich auch das nötige Fundament." Doch ob die Baupläne wirklich etwas taugen, muss sich noch herausstellen. Mitte nächsten Jahres werden die größten Institute einem erneuten Stresstest unterzogen. Der soll, so heißt es in Brüssel, härter und gründlicher sein als die beiden vorherigen. So will man dabei auch die Tresore öffnen, um festzustellen, ob darin noch wertlos gewordene Staatsanleihen liegen, die in keiner Bilanz auftauchten. Vorahnungen, dass es dabei zu unangenehmen Überraschungen kommen könnte, gibt es seit langem. "Dennoch ist diese Überprüfung richtig", betonte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Walter Kemmer.

Der Bundesfinanzminister kann mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Denn er hat sich in nahezu allen Punkten durchgesetzt. Was man nicht verhindern kann, wird verschoben, lautete sein Motto, mit dem er vor allem eine schnelle gemeinsame Haftung "Jeder für jeden" stoppen wollte. Die gibt es tatsächlich nicht. Denn die Einlagen im Abwicklungsfonds bleiben zunächst für jeden Mitgliedstaat reserviert. Erst wenn die 55 Milliarden Euro vollständig sind, steht das Geld allen zur Verfügung. Außerdem hat er den Einfluss der Kommission zurückgedrängt. Die wollte bei der Entscheidung, wer über das Schicksal eines angeschlagenen Institutes das letzte Wort haben darf, eine Schlüsselrolle spielen. Doch daraus wird nichts. Die Macht liegt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beziehungsweise einem neuen Gremium namens SRM (Single Resolution Mechanism - Einheitlicher Abwicklungsmechanismus), in das alle Mitgliedstaaten Vertreter ihrer Bankenaufsicht entsenden.

Deutschlands Geldhäuser müssen nun rund eine Milliarde Euro pro Jahr in die neue Risikokasse überweisen. Das bringt deutlich höhere Belastungen. 2013 haben die Institute nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzstabilisierung 520,1 Millionen Euro in der nationalen Einlagensicherung hinterlegt. In Berlin forderte die SPD bereits, die deutsche Bankenabgabe kurzfristig zu erhöhen.

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HintergrundDie Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder sind gestern in Brüssel zu ihrem zweitägigen Gipfeltreffen zusammengekommen. Erstmals seit 2008 stand dabei wieder die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Mittelpunkt - ein Thema, bei dem sich tiefe Gräben offenbarten. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich überzeugt, dass Europa "sehr viel mehr zusammenarbeiten" muss. "Wir können unsere Rüstungsaktivitäten bündeln", sagte sie. Frankreichs Präsident François Hollande fordert einen "ständigen Fonds" für Militäreinsätze in Krisengebieten. Großbritanniens Premier David Cameron pochte dagegen darauf, dass militärische Fähigkeiten Sache der Mitgliedstaaten bleiben müssten. Heute wollen die "Chefs" über die Situation in der Ukraine sprechen. dpa

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