Separatisten rechnen mit baldigem Triumph

Batja hockt neben einem Graben, der Gefechtsdampf liegt noch in der Luft. Er blickt auf die von ihm und seinen prorussischen Gesinnungsgenossen belagerte Stadt Ilowajsk und wägt die Überlebenschancen ab, welche die dort eingekesselten Kiew-treuen Kämpfer noch haben.

Ihre einzige Chance sei die Aufgabe, sagt der kampferprobte Mann. Die Feinde müssten sich ergeben und einsehen, dass Ilowajsk nicht mehr von den ukrainischen Streitkräften geschützt werden könne. "Wer sich ergibt und eine weiße Fahne schwenkt, wird nicht erschossen", sagt Batjas Kamerad, der sich Klasik nennt. So lauteten die Befehle ihrer Offiziere. Allerdings würden die geschlagenen Kämpfer gefangen genommen. Seit mehr als einer Woche wird um Ilowajsk gekämpft. Die Stadt liegt 20 Kilometer östlich der Rebellenhochburg Donezk. Das Blatt hat sich offenbar zugunsten der prorussischen Separatisten gewendet. Die Männer, die von der Front zurückkehren, recken die Fäuste. Sie rechnen damit, die Schlacht um die Stadt bald zu gewinnen.

Die ukrainische Regierung sieht eine direkte militärische Einmischung Moskaus als Grund für das Erstarken der Rebellen. Auch US-Präsident Barack Obama warf Russland vor, es habe absichtlich und wiederholt "die territoriale Integrität der Ukraine verletzt". Moskau bestritt solche Einsätze erneut. "Wir hören solche Spekulationen nicht zum ersten Mal, aber die USA haben sie nie mit Fakten belegt", sagte Außenminister Sergej Lawrow . Von Washington vorgelegte Satellitenbilder mit angeblichen russischen Truppenbewegungen seien als Beweise ungeeignet. Gleichwohl verstärkte Präsident Wladimir Putin den Eindruck enger Bande mit den Rebellen. Deutlich wie nie begrüßte er die "bemerkenswerten Erfolge gegen die Militäroperation Kiews". Mit einer Referenz an das Zarenreich schürte er zudem Befürchtungen des Westens, dass sich Russland größere Teile der Ukraine als nur die Krim einverleiben könnte. Er bezeichnete die Separatisten als Verteidiger eines "Neuen Russlands" und bediente sich damit eines Begriffs für imperiale Hoheitsgebiete der Zarenzeit.

Vor dem Verteidigungsministerium in Kiew versammelten sich Demonstranten und forderten mehr Militärhilfe. Die ukrainischen Streitkräfte sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden erste Gebiete im Osten einfach aufgeben. Die Anführer des "Donbass-Bataillons" aus freiwilligen ukrainischen Kämpfern fühlen sich im Stich gelassen. "Ich richte mich an alle Ukrainer, bei der Rettung unserer Brüder zu helfen", schreibt Semen Sementschenko, der Anfang des Monats bei den Gefechten verletzt worden war, auf Facebook . "Wenn sie von den Generälen aufgegeben werden, werden sie noch lange nicht von der ukrainischen Bevölkerung aufgegeben." Der Kriegsfotograf Maxim Dondjuk, der mit dem Donbass-Bataillon unterwegs ist, beobachtet eine wachsende Verzweiflung. Die Kiew-Getreuen hätten noch immer keine Hilfe erhalten. "Sie werden mit Raketen und Mörsergranaten beschossen." Die Vereinten Nationen meldeten gestern, dass seit Beginn der Kämpfe im April bereits fast 2600 Menschen getötet wurden.

Im nahe Ilowajsk gelegenen Troizko-Charzisk sind keine Russen in den Reihen der Rebellen auszumachen. Doch auch wenn die Kämpfer auf beiden Seiten alle Ukrainer sind, gibt es wenig Zweifel, dass sie sich einen Kampf auf Leben und Tod liefern. "Wir sollten alle Söldner töten, alle, die eine schwarze Uniform tragen", sagt Klasik. Batja zeigt auf nicht explodierte Raketen, die nahe von Wohnhäusern eingeschlagen sind. Für ihn ein Zeichen, dass die Freiwilligenmiliz den Tod von Zivilisten in Kauf nimmt. Es sei nur eine Frage von Tagen bis zur Eroberung von Ilowajsk. "Der Ring ist fast geschlossen", sagt er. "Die Ukrainer sind am Ende, wir werden den Auftrag beenden", sagt Komar, ein anderer Aufständischer. Er rechnet damit, dass der Auftrag spätestens in einer Woche erledigt ist.

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