Ein Stelldichein der Snowden-Sympathisanten

Berlin · In den USA werden sie als Helfer von Staatsfeinden betrachtet, in Berlin finden sie Unterstützung und Unterschlupf: Snowden-Unterstützer wie Sarah Harrison, Jacob Appelbaum und Laura Poitras. Die deutsche Hauptstadt ist zu ihrem Basis-Lager geworden.

 Jacob Appelbaum und Sarah Harrison kämpfen beide von Berlin aus für Whistelblower Snowden und gegen die NSA-Spionage. Fotos: dpa

Jacob Appelbaum und Sarah Harrison kämpfen beide von Berlin aus für Whistelblower Snowden und gegen die NSA-Spionage. Fotos: dpa

Die Skizze zeigt eine Porträtaufnahme von Edward Snowden auf rot-blauem Hintergrund, darunter in Großbuchstaben das Wort "Asyl": In ganz Berlin sieht man diese Aufkleber an Straßenlaternen oder Stromkästen. Die Unterstützung für den Ex-NSA-Mitarbeiter, der mit seinen Informationen über Massenüberwachung das Bild der Geheimdienste grundlegend veränderte, ist hier besonders spürbar.

Berlin hat sich zur Hauptstadt vieler Internet-Aktivisten entwickelt. Die Snowden-Vertraute Laura Poitras und der Aktivist und Journalist Jacob Appelbaum - beide US-Amerikaner - haben die Stadt zu ihrem Basis-Lager für die Arbeit an weiteren Enthüllungen gemacht. "Ich bin sehr beeindruckt vom Interesse der Menschen hier und vom Mut der Journalisten ", sagt Appelbaum. Er gehört zu den ersten Mitstreitern der Enthüllungsplattform Wikileaks und ist einer der wenigen, die direkten Kontakt zu Snowden und Zugang zu seinen Dokumenten haben. Gerade hat er eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland für zwei weitere Jahre erhalten. Von Berlin aus will er weiter für mehr Privatsphäre im Netz kämpfen. "Es muss für jeden Einzelnen möglich sein, sicher zu kommunizieren. Fast jeder auf diesem Planeten kann überwacht werden", ist der 31-Jährige überzeugt.

Heute soll Appelbaum auf einer Demo gegen Überwachung sprechen. "Freiheit statt Angst" lautet das Motto des jährlichen Protests, zu dem diesmal 80 Organisationen aufrufen. In den letzten Jahren sank das Interesse, doch die Unterstützer wollen nicht aufgeben. Snowdens Enthüllungen dürften nicht "in Vergessenheit geraten", sagt Mario Lenhart von Amnesty International .

Appelbaum fühlt sich direkt von den Auswirkungen der Überwachung betroffen. Auf Reisen sei er mehrfach angehalten und am Flughafen befragt worden, etwa in Seattle und Newark, erzählt der US-Bürger. Begebenheiten, die ihm seltsam vorkommen, notiert er sich. "Ich versuche, nicht paranoid zu werden. Aber wenn man alle diese Einzelfälle zusammennimmt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das reiner Zufall ist", meint Appelbaum.

In Berlin gehört er zu einer Gruppe von Aktivisten, Hackern und Experten, die sich teils seit Jahren kennen. Dazu zählt Andy Müller-Maguhn, ein langjähriger Vorsitzender des Chaos Computer Clubs und Unterstützer von Wikileaks-Gründer Julian Assange . Der Hackerclub ernannte Edward Snowden gerade zum Ehrenmitglied und spendete 36 000 Euro an seine Anwälte.

"Es gibt viel Unterstützung", meint Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison. Sie begleitete Snowden auf seiner Flucht aus Hongkong nach Moskau und kam danach ebenfalls nach Berlin . "Politisch gab es hier eine Umgebung, die ein gewisses Maß an Sicherheit ermöglichte", sagte sie im Juli auf einer Konferenz von Journalisten .

Appelbaum hofft auf die Rolle Deutschlands und des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag. "Dieser Ausschuss kann einen Grundstein für Veränderungen legen. Er kann zeigen, dass Massenüberwachung ein Fakt ist." Dass Edward Snowden nicht für eine Befragung geladen werden soll, bezeichnet er als "moralisch, ethisch und mit Blick auf internationales Recht falsch", wenn auch "realpolitisch verständlich". Deutschland fürchte die Reaktion der USA, meint er.

In der Zwischenzeit verspricht Appelbaum, dass die Enthüllungen weitergehen. "Ob es weitere Skandale geben wird? Klar. Ob es mehr Ungerechtigkeit gibt, die aufgedeckt werden muss? Natürlich! Nicht nur ich arbeite daran." Wenn er zurückblickt und sich daran erinnert, dass er mal ein normales Leben hatte, ohne eine Liste über merkwürdige Vorfälle in seiner Wohnung, bereut er trotzdem nicht, Vertrauter von Staatsfeinden geworden zu sein. "Ich würde es immer wieder genau so machen. Ich werde jedes Quäntchen meiner Existenz dafür einsetzen, zu zeigen, was andere zu verstecken versuchen."

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