„Einmal Ente, immer Ente“

Saarbrücken/Bexbach · Er ist klein, klapprig, unkomfortabel. Oder einfach „unbeschreiblich“ schön. Mit seinem Charme hat Citroëns 2CV die Herzen von Millionen Autofahrern erobert, auch im Saarland gibt es glühende Verehrer. Obwohl sich nicht jeder hierzulande mit dem Standard zufrieden gibt.

 Alle an Bord: Die Bauers haben so mit ihrer Ente schon tausende Kilometer geschafft. Die Strecke zum Bexbacher Blumengarten war da eine der leichtesten Übungen. Fotos: Oliver Dietze

Alle an Bord: Die Bauers haben so mit ihrer Ente schon tausende Kilometer geschafft. Die Strecke zum Bexbacher Blumengarten war da eine der leichtesten Übungen. Fotos: Oliver Dietze

Verdeck auf. Noch einmal kurz hupen. Und los geht's. Erst langsam, dann langsam immer schneller. Peter Bauer drückt das Gaspedal seiner roten Ente durch - bis aufs Bodenblech. Der Motor knattert, das Chassis rattert. "Das ist ein unbeschreibliches Gefühl", schreit er. Leise reden könnte Bauer bei dem Lärmpegel im Auto, Baujahr 1984, sowieso nicht. Ein Radio gibt es auch nicht. "Das würde doch keinen Sinn machen", erklärt der 51-Jährige, als sich sein Citroën auf dem Autobahnzubringer der A620 bei Güdingen bedenklich in eine Kurve neigt.

Eines wird schnell klar: Bauer ist infiziert vom 2CV-Virus. Unheilbar. Seit er ein kleiner Junge war, beschäftigt er sich mit der französischen Kultkarre. Seine Mutter hatte schon eine Ente. Und sein erstes Auto war auch eine. Doch dann sei er irgendwie vom "rechten Weg" abgekommen. Und habe sich einen Alfa Romeo gekauft. "Das war nix", sagt er und räumt ein: "Wir Entenfahrer sind aber auch anders." Seit den 80er Jahren fährt Bauer wieder den "Deux Chevaux", wie der Wagen in Frankreich genannt wird. Inzwischen hat er gefühlt Jahre mit Reparaturen daran verbracht. Aber das sei es wert: "Einmal Ente, immer Ente."

Gemächlich rollt der 2CV nach Bexbach . In den Blumengarten. Zum großen Enten-Saarlandtreffen. Da darf die Saarbrücker Sektion natürlich nicht fehlen. Obwohl die "Happy Ent's" - ein loser Stammtisch aus etwa 20 Enten-Fans - heute nur aus zwei Fahrern besteht: aus Bauer und seiner Ehefrau Daniela. Sie kutschiert ihre zwei Kinder eine Wagenlänge hinter ihm. Ebenfalls in einer roten Ente.

Bewundernde Blicke sind der Familie in den schrillen Wagen mit den Kulleraugen sicher. Immer wieder drehen sich andere Fahrer auf der Autobahn nach ihnen um. "Mit dem Ruhm muss man umgehen können", scherzt Bauer. Nur ungern denkt er an die 80er Jahre zurück. Damals erntete er nur "wilde Gesten", wenn er mit seiner "Klapperkiste" die Schnellstraßen "blockierte". Heute sei das anders. "Heute reiten wir auf einer Welle der Sympathie."

Spätestens im Blumengarten wird das offensichtlich. Dort stehen Dutzende 2CV. Viele rote, gelbe, grüne, klassische und komplett umgebaute. Ihre Besitzer sind heute alle aus einem Grund hier: zum Fachsimpeln. Und so stehen sie auf der ganzen Wiese in Gruppen zusammen, stecken die Köpfe tief in die aufgedeckten Motorhauben. Und immer erklärt einer gestenreich, was er schon alles an seiner Ente gemacht hat.

Einer von ihnen ist Jörg Hartmann aus Rees im Rheinland. Er hat "nicht nur gefühlt eine halbe Ewigkeit” gebraucht, um den 400-Kilometer-Ritt mit dem 2CV von der beschaulichen Kleinstadt nahe der holländischen Grenze bis nach Bexbach zu schaffen. Doch um mit den Saarländern zu feiern, sei es ihm das wert. In Badeschlappen und mit Baseball-Kappe posiert Hartmann lässig vor seinem "Schätzchen", einer feuerroten Ente, Baujahr 1990. "Ein klasse Wagen. Dem fehlt nichts”, sagt er. Nicht ohne Grund. Denn die Modelle ab 1988 haben nicht den allerbesten Ruf. Damals produzierte der französische Hersteller den Klassiker nur noch in einem Werk in Portugal. "Die Modelle sind doch arg anfällig”, erklärt Bauer.

1990 ist aber bei Entenfahrern aus einem anderen Grund ein trauriges Jahr. Mitte des Jahres liefen die letzen Exemplare vom Band. Citroën stampfte die vier Jahrzehnte andauernde Erfolgsgeschichte mit mehr als fünf Millionen verkauften Fahrzeugen ein. Am Ende wollte niemand mehr die kuriose Ente. Ihre Premiere feierte die Ente 1948 auf dem Pariser Autosalon. Ein Viertürer mit Sonnendach und Zweizylinder-Boxermotor. Geplant war es als Volksauto für die Menschen auf dem Land. "Entwickelt mir ein kleines, sparsames und preiswertes Auto, das zwei Bauern in Stiefeln und 50 Kilo Kartoffeln oder ein Fässchen Wein transportieren kann", soll Pierre-Jules Boulanger, Generaldirektor von Citroën , damals seinem Chefkonstrukteur gesagt haben. Heraus kam das Kultauto, das sich mit seinen etwa elf Zentnern Gewicht in Kurven wirft wie ein Kartoffelbauer nach zwei Flaschen Beaujolais .

Heute sind 2CV nur noch schwer zu kriegen. Etwa 12 000 Stück rollen auf Deutschlands Straßen. Fahrtüchtige Autos seien nicht unter 8000 Euro zu kriegen, sagt Bauer. "Vor kurzem hat eine Ente im Neuzustand sogar 145 000 Dollar bei einer Auktion in New York eingebracht."

Für Roland Reichert, Rufname Ronny, wäre die sicher nix gewesen. Ronny mag keine normalen Enten. "Es muss schon was Besonderes sein." Eine Rennwagen-Ente beispielsweise. Oder eine Ente, die nach rechts fährt, wenn man links lenkt. Eine Wüsten-Buggy-Ente. "Das sind tolle Autos." Und alle diese Enten hat der technische Zeichner selbst produziert.

Vom Typ her ist der Action-Ent's-Chef, der das Treffen in Bexbach organisiert hat, zwar das genaue Gegenteil von Bauer. Doch mit grauen Wuschelhaaren und einem Schnurrbart ist er nicht weniger vom Enten-Virus gepackt. Mit einem Bier in der Hand erzählt Ronny gerade die Geschichte seiner Feuerwehr-Ente. Ein knallroter Kastenwagen mit Leiter und Martinshorn. Mit der habe er es in den "Schrauber-Olymp" geschafft, sagt Ronny. Die Menschen um ihn herum nicken anerkennend. Ein Spielzeughändler aus China habe das Auto in Miniaturformat nachgebaut und verkaufe es nun weltweit. "Bis ins kleinste Detail haben die Chinesen alles kopiert. Sogar die Aufkleber. Wahnsinn ist das." Dennoch hat Ronny noch einen Traum: "Ich will ein Entenmuseum aufmachen." Allein mit seinem Fuhrpark würde er es wohl schon bestücken können. 25 Fahrbereite und 40 ausschlachtbare Enten besitzt er.

Mit der Zeit wird klar: Bauer hat Recht. Entenfahrer sind wirklich anders.

 Roland „Ronny“ Reichert im „schmalen Hans“. Diese und über 20 weitere Enten hat der Bastler bis heute umgebaut. Sein Lebenstraum ist ein eigenes 2CV-Museum.

Roland „Ronny“ Reichert im „schmalen Hans“. Diese und über 20 weitere Enten hat der Bastler bis heute umgebaut. Sein Lebenstraum ist ein eigenes 2CV-Museum.

Zum Thema:

Am RandeDamit 2CV-Fahrer sich weltweit finden und unterstützen können, gibt es das "Apua-Help", quasi die "Bibel für Enten-Besitzer". In diesem Buch stehen Besitzer des legendären Citroën aus aller Welt - von Ghana bis Japan. Wer ein Problem mit der Ente auf Reisen hat, kann sie anrufen. Meistens gehe es aber ums "Übliche", sagt Peter Bauer vom Saarbrücker 2CV-Stammtisch "Happy Ent's": "Abschleppen, Reparieren, Feiern." pbe

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