Landschaft heute – gewandelt, verschandelt?

München/Saarbrücken · Windräder statt Weizen, Solar statt Salat. Hunger nach Energie verändert die Landschaft. Aber auch der internationale Wettbewerb, gestiegene Konsumbedürfnisse, Klimaerwärmung und neue technische Möglichkeiten wandeln das Bild.

 Der Windpark in Freisen mit seinen zahlreichen Windrädern war der erste im Saarland. Er ist jetzt über 20 Jahre alt. Foto: Bonenberger & Klos

Der Windpark in Freisen mit seinen zahlreichen Windrädern war der erste im Saarland. Er ist jetzt über 20 Jahre alt. Foto: Bonenberger & Klos

Foto: Bonenberger & Klos

Wenigstens das Plastik ist weg: Der Spargel braucht jetzt keinen Kälteschutz mehr. Immer früher im Jahr, wenn es noch kalt ist, lechzen die Deutschen nach Spargel . Die Bauern versuchen mit wärmenden Folien und beheizten Beeten den Appetit zu befriedigen. Umweltschützer sehen das gar nicht gern. "Man soll das Gemüse essen, wenn es auf den Feldern wächst", mahnt Herbert Bartel, Klimaschutzreferent des Bundes Naturschutz in Bayern.

Bedürfnisse und Konsumgewohnheiten wandeln sich - und damit die Landschaft. Preisdruck, Klimawandel und Energiewende wirken sich aus. "Wir erleben eine massive Veränderung unserer Kulturlandschaft", sagt der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger. "Die große Herausforderung: Wie kann dieser Wandel so gestaltet werden, dass er naturverträglich ist?"

Flächenfraß: Naturflächen schwinden - täglich. Gewerbe- und Wohngebiete wachsen an Ortsrändern. Laut Statistischem Bundesamt waren Ende 2014 in Deutschland 13,6 Prozent der Fläche bebaut, 73 Hektar werden jeden Tag zugepflastert - 104 Fußballfelder. Bis 2020 sollen es 30 Hektar sein. Im Saarland wurden im Jahr 2012 insgesamt 42,9 Prozent der Bodenfläche landwirtschaftlich genutzt, wie das Statistische Amt Saarland auf Anfrage mitteilte. 34 Prozent entfielen auf Waldgebiete, 12,4 Prozent auf Gebäude und Freiflächen, 6,2 Prozent auf Verkehr und 4,5 Prozent auf sonstige Flächen.

Mais : Auf den Äckern spielt nicht mehr nur eine Rolle, was den Magen füllt, sondern auch den Tank. Wo früher Wiesen und Weiden waren, steht oft Mais : Futter für das Vieh, aber auch Energiepflanze. Umweltschützer warnen nicht zuletzt vor Bodenverdichtung und steigender Gefahr bei Regen. Mais stehe oft auf den Rückhalteflächen, sagt Weiger. "Der Boden wird abgeschwemmt. Das sind die braun-gelben Fluten, die man dann in den Bächen und Flüssen sieht. Das ist nichts anderes als abgetragene fruchtbare Bodenkrume."

Raps: Gelbe Rapsfelder bestimmen mehr als früher die Landschaft. Neue Kulturen haben die Qualität des Öls verbessert. "Das sind jetzt richtig gefragte Öle, fast wie Olivenöle. Sie haben hervorragende ernährungsphysiologische Werte", sagt Anni Neu vom Deutschen Bauernverband. Das Öl dient auch als Beimischung für Biotreibstoff. Der Rest ist Futter, Rapsblüten bieten Bienen Nektar und Pollen.

Kühe: Auf den Wiesen blüht inzwischen weniger. Der Trend: Die Kuh bleibt im Sommer in ihrem - immerhin komfortablen - Laufstall. "Heute ist die Weide eher Grünland, die Kuh wartet im Stall auf ihr Futter", sagt Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Betreuten früher fünf Helfer 30 Kühe, so sind es nun zwei für 60 Kühe. Wenig Kapazität, die Tiere auf die Weide zu treiben. Dafür rollen Mähmaschinen. Grasballen in weißem, grünem oder sogar rosa Plastik liegen verschweißt auf Wiesen. Das Gras muss nicht trocknen, die Wiese kann früher gemäht werden - Blumen kommen nicht zum Blühen.

Sonne: Auf Dächern und entlang Gleisen oder Autobahnen spiegeln blauschwarz Solarpanele. Damit nicht ganze Felder zugebaut werden, gibt es Förderungen nur bis mit einem Abstand von bis zu 150 Metern von Verkehrswegen.

Wind: Über grünen Wiesen drehen Windräder . Saubere Energie. Doch die Rotorblätter stören mit Wummergeräuschen und wechselnden Schatten Anwohner. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte im Mai den von der CSU durchgesetzten Mindestabstand zu Siedlungen für zulässig: Er muss das Zehnfache (10H) der Bauhöhe betragen. Bei 200 Meter hohen Anlagen sind das also zwei Kilometer. Im Saarland gab es Mitte Mai nach Auskunft des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz 54 Windparks mit insgesamt 164 Windenergieanlagen.

Berge: Selbst in den Bergen wird unberührte Natur seltener. Wanderer laufen unter Liftstützen und an teils betonierten Teichen vorbei. Zum Baden taugen sie nicht. Ihr Wasser dient nur den Schneekanonen, die im Sommer auf den Almwiesen zwischen käuenden Kühen ein befremdliches Bild abgeben. Gegner kämpften etwa bei Bayrischzell vergeblich gegen den Bau. Der Deutsche Alpenverein (DAV) fordert seit langem: "Keine Steuergelder für Schneekanonen". Nach einer DAV-Studie sind selbst bei einem weiteren Ausbau der Beschneiung in rund 20 Jahren nur noch 50 bis 70 Prozent der bayerischen Skigebiete schneesicher.

"Rückgang der Industrie prägt das Saarland"

 Nützlich, aber auch hübsch anzuschauen: Ein Rapsfeld in Winterbach bei St. Wendel im Nordsaarland. Viele schätzen die Qualität von Rapsöl. Foto: Bonenberger & Klos

Nützlich, aber auch hübsch anzuschauen: Ein Rapsfeld in Winterbach bei St. Wendel im Nordsaarland. Viele schätzen die Qualität von Rapsöl. Foto: Bonenberger & Klos

Foto: Bonenberger & Klos

Olaf Kühne beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Entwicklung von Landschaften im Allgemeinen und speziell mit denen im Saarland. SZ-Redakteur Jörg Wingertszahn sprach mit dem Geografie-Professor, der zurzeit in Weihenstephan lehrt.

Herr Kühne, wie hat sich die Landschaft im Saarland in den letzten 20 Jahren verändert?

Kühne: Auf vielfältige Weise. Im Saarland gibt es einige Veränderungen, die vielleicht nicht einmalig sind, aber doch sehr prägnant. Vor allem die Deindustrialisierung ist bei uns sehr landschaftsprägend. Daneben gibt es allgemeine Trends wie auch im Rest Deutschlands, zum Beispiel mehr Windkraftanlagen oder ein stärkerer Anbau von Mais und Raps. Das verändert die Landschaft deutlich.

Wie wirkt sich die Deindustrialisierung aus?

Kühne: Der Rückgang der Schwerindustrie hat aus stark industrialisierten Landschaften welche gemacht, die heute in die Rubrik Ruinenästhetik fallen. Zudem spielt die Reurbanisierung eine Rolle - gerade in Saarbrücken, wo in der Innenstadt neu gebaut wird. Das vollzieht sich gerade mit sehr großer Intensität. Allerdings ist der Bedarf an Neubauten zum Beispiel in München viel höher.

Landschaft hört ja nicht an der Grenze auf: Brauchen wir ein grenzüberschreitendes Landschaftsmanagement?

Kühne: Wir haben ja schon eine gemeinsame EU-Agrarpolitik, die in ländlichen Räumen wirkt. Allerdings obliegt die Ausgestaltung den jeweiligen nationalen oder sogar regionalen Regierungen. Wenn man das Saarland und Lothringen vergleicht, stellt man fest, wie unterschiedlich diese EU-Agrarförderung ausgelegt wird. In Frankreich ist man sehr viel stärker auf Produktion ausgerichtet, in Deutschland auf den Schutz der Kulturlandschaft - in Luxemburg übrigens noch viel mehr.

Wie sollte man in Zukunft die Landschaft im Saarland gestalten?

Kühne: Die Frage ist, ob wir nicht lernen sollten, uns mit dem Landschaftswandel zu arrangieren - auch mit Windkraft, Speicheranlagen und Netzen.

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