Krankenkassen erhöhen wegen Defizit Beiträge

Arbeitnehmer müssen 2016 für ihre Krankenkassen tiefer in die Tasche greifen. Die Beiträge steigen im Schnitt von 14,6 auf 15,7 Prozent des Bruttoeinkommens. SZ-Korrespondent Stefan Vetter nennt die Details.

Wie entwickelt sich der Beitrag?

Derzeit liegt der Kassenbeitrag bei 14,6 Prozent vom Bruttoeinkommen. Er wird zur Hälfte vom Arbeitgeber finanziert und der Arbeitnehmer . Kommt eine Kasse nicht mit den Mitteln aus, kann sie einen Zusatzbeitrag erheben. Auf Basis der Schätzer-Empfehlung vom Vorjahr wurde er für 2015 auf im Schnitt 0,9 Prozentpunkte festgelegt. Insgesamt sind es also 15,5 Prozent. Nach der aktuellen Schätzung würde der Zusatzbeitrag 2016 auf rund 1,1 Prozentpunkte steigen. Diese Belastung schultert der Arbeitnehmer . Bei einem Lohn von 3000 Euro wären das monatlich sechs Euro mehr.

Woher kommt der Aufschlag?

Trotz guter Konjunktur samt Rekordbeschäftigung bleiben die laufenden Einnahmen vieler Kassen hinter den Ausgaben zurück. So verzeichneten die Ortskrankenkassen (AOK ) im ersten Halbjahr ein Minus von 112 Millionen Euro, und die Ersatzkassen nahmen 191 Millionen Euro weniger ein, als sie für ihre Versicherten ausgaben.

Warum übersteigen die Ausgaben die Einnahmen?

Nach Einschätzung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach hat das vor allem mit hochpreisigen Medikamenten zu tun, die neu auf den Markt kommen. "Hier gibt es zum Teil Wucherpreise. Deshalb müssen wir noch mal überlegen, ob wir bei der Regulierung der Kosten für Arzneimittel noch etwas machen müssen." Weiter hat die Regierung Reformen erlassen, die einer besseren Versorgung der Patienten dienen sollen.

Was kommt auf den Beitragszahler tatsächlich zu?

Das hängt von der konkreten Finanzlage der jeweiligen Kasse ab. Die 123 gesetzlichen Kassen verfügten Ende Juni noch über Finanzreserven in Höhe von insgesamt 15,2 Milliarden Euro. Allerdings ist das Geld sehr unterschiedlich verteilt, was sich auch an den jeweiligen Zusatzbeiträgen ablesen lässt. So verlangen derzeit rund 50 Kassen exakt jene 0,9 Prozent extra, die als durchschnittlicher Zusatzbedarf kalkuliert waren. Aber bei der Metzinger BKK in Baden-Württemberg zum Beispiel gibt es gar keinen Zusatzbeitrag. Dagegen beträgt er bei der Brandenburgischen BKK und der IKK Nord schon jetzt satte 1,3 Prozent.

Wird auch künftig nur der Arbeitnehmer belastet?

Laut Koalitionsvereinbarung sind keine Änderungen vorgesehen. Allerdings drängt die SPD auf Korrekturen. "Wir müssen zur paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge zurückkehren", sagte Lauterbach. Hier werde man mit dem Koalitionspartner reden müssen.

Meinung:

Es muss gerecht zugehen

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Es stimmt zwar, dass eine alternde Gesellschaft und der medizinische Fortschritt nicht zum Nulltarif zu haben sind. Aber nicht jede Mehrausgabe ist deshalb auch immer sinnvoll. Nur ein Beispiel: Nach wie vor verschreiben Ärzte zu viele kostenträchtige Arzneien, obwohl es auch billiger ginge. Und das bei gleicher Wirkung. Andererseits wird keiner gleich abwinken, wenn Union und SPD Reformen zur Verbesserung des Gesundheitswesens auf den Weg bringen. Doch darf auch hier zum Teil an einer positiven Wirkung gezweifelt werden. Das dürfte die Akzeptanz von Beitragssteigerungen nicht beflügeln. Fazit: Selbst unter Ausschöpfung sinnvoller Einsparmöglichkeiten sind Mehrbelastungen unvermeidlich. Aber es sollte auch gerecht dabei zugehen. Die Arbeitgeber müssen bei der Finanzierung wieder mit ins Boot.

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