Der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig will im Bundesrat nicht blockieren - und lehnt Steuersenkungen ab

Der neue schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) koordiniert im Bundesrat die SPD-geführten Länder. Der 49-jährige äußert sich im Interview mit unserem Korrespondenten Werner Kolhoff über die Energiewende, den Länderfinanzausgleich und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dem er einst als Pressesprecher diente.

Wird die Energiewende gut gemanagt?

Torsten Albig: Nicht so gut, wie es sein müsste. Vor allem beim Netzausbau geht es noch zu langsam voran.

Hat der Energiegipfel bei der Kanzlerin am Freitag Fortschritte gebracht?

Albig: Ja, sehr deutliche. Die Bundesregierung hat in wesentlichen Fragen die Position der Länder übernommen. Damit sind die Voraussetzungen sehr gut, dass wir mit einer abgestimmten gemeinsamen Strategie die Energiewende erfolgreich voranbringen.

Sie haben eine staatliche Beteiligung an den Netzgesellschaften vorgeschlagen. Warum sollte der Staat das besser können?

Albig: Es kann nicht sein, dass die Liquiditätsprobleme privater Unternehmen darüber entscheiden, ob in Deutschland die Energiewende gelingt oder nicht. Beim teueren Ausbau der Offshore-Netze kann ich mir daher vorstellen, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau sich an einer Netzgesellschaft beteiligt. Und bei dem Ausbau der Windenergie an Land könnte das Modell von Bürgernetzen helfen, eventuell auch ergänzt durch die KfW. Wir müssen vorankommen.

Warum wird nicht der Strom da erzeugt, wo er verbraucht wird? Dann bräuchte man so viele Netze gar nicht.

Albig: Wir werden in Deutschland immer Lastzentren haben, in denen eine autarke Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien nicht darstellbar ist. Die bayerische Vorstellung, die eigene Region nur mit Photovoltaik und Gas versorgen zu können, ist naiv. Am Ende werden wir alle Kräfte brauchen. Nicht nur Windstrom aus dem Norden, sondern auch die zum Teil hervorragenden Windkraftstandorte, die es im Süden gibt.

Bayern will gegen den Länderfinanzausgleich klagen. Haben Sie dafür Verständnis?

Albig: Nein, ganz und gar nicht.

Auch nicht für das Problem, das hinter dieser Klage steht?

Albig: Ich habe Verständnis dafür, dass man im Bierzelt Applaus bekommt, wenn man sagt, den doofen Armen geben wir nichts. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass man das gleiche nicht zum Beispiel beim Erneuerbare Energiengesetz sagt, wo Bayern das größte Nehmerland ist. Oder bei der Medizinerausbildung. Da sind wir in Schleswig-Holstein Geber, indem wir weit überproportional Mediziner ausbilden. Man tut so, als seien da auf der einen Seite die, die das Geld ausgeben, und auf der anderen Seite jene, die sich den Rücken krumm arbeiten. Dass ist ein krasses Zerrbild. Wenn, dann muss man alles im Zusammenhang betrachten.

Sehen Sie überhaupt keinen Reformbedarf?

Albig: Doch. Bis 2019 müssen wird das System ohnehin überarbeiten. Dann läuft der Solidarpakt aus. Im nächsten Finanzausgleich wird es nicht nur um das Ost-West-Thema gehen, sondern um den Ausgleich zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen überall in Deutschland. Außerdem sollten wir versuchen, gemeinsame Mindeststandards bei öffentlichen Leistungen zu definieren. Wer die dann überschreiten möchte, sollte dafür nicht durch Mittel aus dem Finanzausgleich unterstützt werden, sondern es aus eigener Kraft leisten können. Welche Standards man sich leistet, sollte deshalb im Finanzausgleich mit berücksichtigt werden.

Wie ist aktuell Ihr Verhältnis zu Peer Steinbrück?

Albig: Sehr gut.

Ist von Ihrem öffentlichen Ratschlag im Sommer, er solle lieber nicht SPD-Kanzlerkandidat zu werden, nichts zurückgeblieben?

Albig: (Lacht) Meine Sorge war, dass er in eine Situation kommen könnte, wo er nicht frei entscheiden kann. Die war offenbar unbegründet. Er ist unser Kanzlerkandidat mit ganzer Kraft und sehr viel Freude. Und wir alle werden ihn unterstützen, dass er auch Erfolg dabei hat.

Indem Sie bis zur Wahl den Bundesrat als Blockadeinstrument gegen die Regierung Merkel missbrauchen?

Albig:Der Bundesrat ist gleichberechtigtes Verfassungsorgan. Wenn wir der Auffassung sind, dass eine Bundesregierung eine falsche Politik macht, dann haben wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, das zu ändern. Wir sind nicht das Zustimmungsgremium für Frau Merkel.

Werden Sie also weiterhin die Steuersenkungsgesetze der Bundesregierung ablehnen, ebenso die steuerliche Absetzbarkeit der Gebäudesanierung?

Albig:Ich kann bei beiden nicht erkennen, dass es dafür eine Mehrheit im Bundesrat geben wird. Wir können nicht in einer Zeit, wo wir in den Kommunen und in den Ländern Schuldenbremsen einhalten müssen, anfangen, zusätzlich Geld auszugeben, das uns an wichtigerer Stelle dann fehlt. Die gesetzlich festgelegte Anhebung des Grundfreibetrages wird es natürlich geben, aber bei allem anderen muss man den Menschen doch die Wahrheit sagen, statt Wahlgeschenke zu verteilen. Und bei der Gebäudesanierung kann ich nicht verstehen, dass schon wieder ein System etabliert werden soll, dass immer teurer und teurer wird, je mehr es in Anspruch genommen wird. Jeder müsste doch allmählich wissen, wie man Fördermaßnahmen richtig organisiert: durch eine direkte Förderung und keine steuerliche. Das wäre zum Beispiel durch ein KfW-Förderprogramm der Fall.

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