Rechtsextremismus Gegen das Gift des Antisemitismus

Berlin · Bundesministerin Anja Karliczek will die Ursachen von Rechtsextremismus und Judenhass besser erforschen lassen und hat dazu ein 35-Millionen-Euro-Programm für die nächsten Jahre aufgelegt

Mit Geld des Bundes gegen Antisemitismus: Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) stellt am Mittwoch ihr Programm zur besseren Erforschung der Ursachen von Antisemitismus vor

Mit Geld des Bundes gegen Antisemitismus: Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) stellt am Mittwoch ihr Programm zur besseren Erforschung der Ursachen von Antisemitismus vor

Foto: dpa/Soeren Stache

Anja Karliczek will dieses „Gift“ verbannen. Das Gift, über das die CDU-Politikerin in dieser Mittagsstunde spricht, ist „gefährlich, sogar lebensgefährlich“: Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland. Karliczek sagt es ohne Umschweife: „Jüdisches Leben, leider muss man das sagen, ist in Deutschland so bedroht wie lange nicht mehr.“ Dagegen macht die Bundesforschungsministerin grundsätzlich mobil. Und erst recht in diesem Jahr, da 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert werden. Die Bundesforschungsministerin ist am Mittwoch in Berlin angetreten, die Erforschung von Antisemitismus und Rechtsextremismus zu verstärken und jüdisches Leben „sichtbarer“ zu machen. Bei diesem Termin mit an ihrer Seite: Felix Klein, Bundesbeauftragter für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, und Frank Bajohr, Direktor des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München. Dass sich Jüdinnen und Juden mancherorts nicht trauten auch nur ihr Kippa aufzusetzen oder in bestimmte Viertel deutscher Großstädte nicht hineinwagten, könne nicht hingenommen werden, sagt etwa Bajohr.

Karliczek, Klein und Bajohr sprechen dabei auch über die „Spitze des Eisberges“, über jene 2351 antisemitischen Vorfälle, die im vergangenen Jahr der Polizei gemeldet worden seien. Rund 300 Übergriffe oder 15 Prozent mehr als noch 2019. Es seien die sichtbaren Auswüchse von Antisemitismus. Doch die Dunkelziffer liege weit höher, gibt sich Karliczek überzeugt. „Antisemitismus darf keinen Platz in Deutschland haben.“ Gerade deswegen will die Bundesministerin für Forschung auch den Ursachen von Antisemitismus und Rechtsextremismus in den nächsten Jahren wissenschaftlich stärker auf den Grund gehen lassen. Denn: „Dass sich Jüdinnen und Juden in unserem Land bedroht fühlen, ist beschämend“, betont die CDU-Politikerin.

Der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Klein, sieht denn auch in den „Hygienedemonstrationen“, also in dem Protest querdenkender Verschwörungstheoretiker, einen starken Angriff auf jüdisches Leben. Gerade in Kreisen der Corona-Leugner sei „Judenhass oft der ideologische Kitt“. „Dunkle Mächte“ würden dabei bevorzugt etwa für Corona verantwortlich gemacht. Es gehöre zum „Wesenskern“ von Antisemitismus, dass dieser eine bestimmte Gruppe – in diesem Fall die Juden – für das Aufkommen einer Misere oder eines Übels verantwortlich mache. Hass auf Muslime schweiße viele Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker weniger zusammen wie der Hass auf Juden. Klein: „Antisemitismus ist wie Rassismus gefährlich, sogar lebensgefährlich.“ Der Beauftragte der Bundesregierung hat sich vorgenommen, jüdisches Leben in Deutschland „viel sichtbarer und greifbarer“ machen.  

Auch der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, sieht Antisemitismus unter den sogenannten Querdenkern und Corona-Leugnern als „das verbindende Element der unterschiedlichen Gruppen“ aus Rechtsextremisten, Impfgegner oder Esoterikern. Schuster sagte unserer Redaktion: „Der gemeinsame Feind sind in diesen Kreisen schnell die Juden. Dabei greifen sie letztlich uralte judenfeindliche Narrative auf. Schon im Mittelalter beim Ausbruch der Pest wurden die Juden als Verursacher verdächtigt und verfolgt.“ Wenn bedrohliche Phänomene auftauchten, werde gerne ein Sündenbock gesucht. „Den findet man in einer Minderheit. Dieser Mechanismus greift nach wie vor. Diese Entwicklung ist zutiefst besorgniserregend“, betonte Schuster.

Wäre da noch Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der für einige seiner Äußerungen auch schon Beifall aus Reihen der Querdenker-Bewegung erhalten hatte. Nein, zu Maaßen möchte Karliczek lieber nichts sagen. Obwohl Maaßen ihr Parteifreund ist und für die CDU in Thüringen in den Bundestag strebt. „Herr Maaßen ist aufgestellt als Kandidat, und das habe ich nicht zu bewerten. Er ist demokratisch legitimiert aufgestellt.“ Klein wird etwas deutlicher: „Ich will jetzt nicht so weit gehen, Maaßen als Antisemiten zu bezeichnen.“ Aber doch, es gebe schon „problematische Äußerungen“ des ehemaligen obersten Verfassungsschützers in Deutschland. Ähnlich sieht es auch Bajohr. Aber Karliczek will sich an dieser Stelle bei diesem Termin nicht von Maaßen distanzieren. Sie vergibt lieber Geld des Bundes für eine verstärkte Forschung der Ursachen von Antisemitismus und Rechtsextremismus: insgesamt 35 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre.

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