Rückblick 16 Jahre Merkel: Meilensteine einer Kanzlerschaft

Berlin · Wer heute 20 Jahre alt ist, hat bisher wohl bewusst niemanden anderen im Kanzleramt erlebt als Angela Merkel. Seit fast 16 Jahren steht sie an der Spitze einer deutschen Regierung. Ein Rückblick.

16 Jahre Merkel: Das waren die bedeutensten Momente ihrer Kanzlerschaft
Foto: dpa/Axel Schmidt

In Deutschland und der Welt hat sie höchste Anerkennung erhalten - musste zugleich aber auch schärfste Kritik einstecken. Nach vier Legislaturperioden ist für Angela Merkel nun Schluss mit Politik. Was hat ihre Kanzlerschaft geprägt?

22. November 2005: Angekommen auf der Regierungsbank: Die CDU-Chefin wird im Parlament zur ersten deutschen Bundeskanzlerin gewählt und leitet eine Koalition von Union und SPD. Einem solchen Bündnis steht Merkel in insgesamt drei Legislaturperioden vor, zwischen 2009 und 2013 führt sie eine Regierung von Union und FDP.

8. Juli 2006: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land gratuliert die Kanzlerin der Nationalmannschaft zur Bronze-Medaille. „Deutschland hat das Motto der WM "Die Welt zu Gast bei Freunden" mit Leben erfüllt“, resümiert Merkel. Acht Jahre später jubelt sie dann mit der deutschen Elf über den WM-Titel beim Turnier in Brasilien.

31. Dezember 2006: In ihrer Neujahrsansprache nennt Merkel die Reformpolitik ihrer Regierung unverzichtbar - darunter auch die angestrebte Rente mit 67. Im März 2007 beschließt der Bundestag die schrittweise Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre.

6. bis 8. Juni 2007: Weltpolitik mit Strandkorb-Feeling: Merkel ist Gastgeberin des G8-Gipfels in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern). Schwerpunkte der Gespräche sind Afrika und der Klimaschutz. Es wird vereinbart, bis 2050 die Treibhausgase halbieren zu wollen. Auch in Erinnerung bleiben massive Proteste von Globalisierungskritikern.

5. Oktober 2008: Angesichts der Bankenkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers stellt die Regierung erstmals eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht. „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, so Merkel auf einer Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Sie spricht sich für eine stärkere Finanzmarktregulierung aus.

5. Mai 2010: Über die finanzielle Unterstützung des vom Bankrott bedrohten Griechenland sagt Merkel: Die Hilfen seien „alternativlos“. Wenige Tage später spannt die EU zur Rettung kriselnder Euro-Mitglieder vor dem Staatsbankrott einen Hunderte Milliarden Euro schweren Rettungsschirm. „Alternativlos“ wird das Unwort des Jahres.

22. November 2010: Der Einsatz für die Wehrpflicht galt über Jahrzehnte als ein Markenkern der Union. Doch nun bereitet Merkel das Militär auf Veränderungen vor: Ihre Partei stellt sich hinter das Vorhaben von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), den Pflichtdienst für Männer in der Bundeswehr auszusetzen. Im Juli 2011 sind Wehrpflicht und Zivildienst in Deutschland Geschichte.

14. März 2011: Nach der Atomkatastrophe in Fukushima reagiert Merkel mit einer drastischen Kurskorrektur: Nachdem ihre schwarz-gelbe Regierung erst im Herbst 2010 die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert hat, wird nun die Reißleine gezogen. Im Juni besiegelt der Bundestag Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022.

7. Juni 2011: US-Präsident Barack Obama verleiht der Kanzlerin die Freiheitsmedaille der Vereinigten Staaten, die höchste zivile Würdigung des Landes. Sie sei ein „Symbol des Triumphs der Freiheit, indem sie die erste Ostdeutsche ist, die als Bundeskanzlerin einem vereinten Deutschland dient“, so der Präsident.

17. Februar 2012: Bundespräsident Wulff tritt zurück, weil er im Verdacht steht, Vergünstigungen von Unternehmern angenommen zu haben. Der Koalitionspartner FDP stellt sich hinter den Vorschlag von SPD und Grünen, Joachim Gauck als Nachfolger zu wählen. Die CDU-Chefin will ihn eigentlich nicht unterstützen, lenkt aber ein. In ihrer Kanzlerschaft erlebt Merkel vier deutsche Staatsoberhäupter.

23. Februar 2012: Gut drei Monate nach Aufdeckung der NSU-Mordserie bittet Merkel bei einer Trauerfeier die Angehörigen der Opfer um Verzeihung, weil Ermittler sie teils über Jahre zu Unrecht verdächtigten. Die rechtsextreme Terrorzelle ermordete zwischen 2000 und 2007 neun Unternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. „Diese Jahre müssen für Sie, liebe Angehörige, ein nicht enden wollender Alptraum gewesen sein“, so Merkel.

24. Oktober 2013: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, sagt Merkel darüber, dass der US-Geheimdienst NSA über Jahre ihr Handy auslas. Der US-Präsident gibt sich peinlich berührt - ohne dass klar wird, seit wann er von der Bespitzelung weiß. Schon zuvor wurde bekannt, dass US-Dienste massenhaft Daten von Bundesbürgern sammeln. Merkel und Obama bemühen sich danach um ein besseres Verhältnis.

25. Mai 2014: Die Alternative für Deutschland (AfD) wird erstmals in das EU-Parlament gewählt. Merkels Union bekommt von nun an dauerhafte Konkurrenz von Rechtsaußen. Die Rechtspopulisten sind mittlerweile auch im Bundestag und in allen 16 Landtagen vertreten.

12. Februar 2015: Nach rund 17-stündigen Verhandlungen über die Ukraine-Krise einigen sich Merkel, Frankreichs Staatschef François Hollande, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Kremlchef Wladimir Putin in Minsk auf ein Waffenstillstandsabkommen und einen Zeitplan zum Frieden. Berichte über russische und ukrainische Verstöße gegen die Waffenruhe gibt es bis heute.

24. März 2015: Auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf steuert der Co-Pilot ein Germanwings-Flugzeug gegen einen Berg. In den französischen Alpen sterben alle 150 Menschen an Bord, darunter 72 Deutsche - unter anderem Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen eines Gymnasiums im westfälischen Haltern. Merkel, Hollande und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy reisen zur Absturzstelle.

7./8. Juni 2015: Merkel lädt zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern. Themen sind vor allem der Ukraine-Konflikt und Klimaschutz. Es wird das Ziel ausgegeben, „im Laufe des Jahrhunderts“ eine Weltwirtschaft ohne die Nutzung von fossilen Energieträgern wie Kohle zu ermöglichen.

31. August 2015: „Wir schaffen das“, sagt Merkel über die Aufnahme von Flüchtlingen. Kurz darauf schließt sie nicht die Grenzen, als Schutzsuchende massenweise von Ungarn über Österreich nach Deutschland kommen. Selfies von Merkels späterem Besuch einer Berliner Einrichtung für Flüchtlinge gehen um die Welt.

20. November 2015: Mit seiner Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik brüskiert CSU-Chef Horst Seehofer die Kanzlerin öffentlich. Der Streit eskaliert über die Jahre immer wieder. Im Juni 2018 droht Seehofer - mittlerweile auch Bundesinnenminister unter Merkel - in der Frage des EU-Asylrechts, die Richtlinienkompetenz der Regierungschefin ignorieren zu wollen.

9. Dezember 2015: Die Kanzlerin wird vom New Yorker „Time“-Magazin als „Person des Jahres“ ausgezeichnet. „Bei Merkel schwang ein anderer Wertekanon - Menschlichkeit, Güte, Toleranz - mit, um zu zeigen, wie die große Stärke Deutschlands zum Retten statt zum Zerstören genutzt werden kann“, heißt es.

19. Dezember 2016: Bei einem islamistischen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche sterben zwölf Menschen. „Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt. Auch wenn es in diesen Stunden schwer fällt“, sagt Merkel. Am Tatort legt sie eine weiße Rose nieder.

17. März 2017: Bei Merkels erstem Besuch bei US-Präsident Donald Trump gibt es im Oval Office kein Händeschütteln für die Kameras - obwohl Fotografen darum bitten und die Kanzlerin den Präsidenten danach fragt. Das deutsch-amerikanische Verhältnis erreicht unter Trump auch wegen seiner persönlichen Attacken gegen Merkel einen Tiefpunkt. Er behandelt Deutschland vor allem als Konkurrenten und nicht als Verbündeten.

30. Juni 2017: Nach jahrzehntelangem Ringen sagt der Bundestag Ja zur Ehe für homosexuelle Paare. Zuvor hatte Merkel den Abgeordneten der Union in der Sache eine freie „Gewissensentscheidung“ überlassen. Schwule und Lesben dürfen seither heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Merkel selbst votiert allerdings dagegen.

29. Oktober 2018: Unter dem Druck massiver Unzufriedenheit mit der Bundesregierung und dem CDU-Debakel bei der Landtagswahl in Hessen leitet Merkel das Ende ihrer politischen Ära ein und erklärt, dass sie den CDU-Vorsitz abgebe - aber bis 2021 Kanzlerin bleiben wolle.

19. Februar 2020: Ein Deutscher erschießt in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln. „Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift“, so Merkel. „Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft. Und es ist Schuld an schon viel zu vielen Verbrechen.“ Bei der späteren Trauerfeier sitzt sie neben den Hinterbliebenen.

29. September 2020: Ihre Rechnung zur Ausbreitung des Coronavirus klingt nach einem Horrorszenario an Weihnachten: Wenn sich die Zahl der Neuinfektionen pro Tag weiterhin so entwickle wie in den Monaten zuvor, „würden wir von 2400 auf 4800, dann auf 9600 und schließlich auf 19 200 kommen“, sagt Merkel. Doch wird dieser Wert nicht erst zum Fest, sondern schon rund fünf Wochen später erreicht. Deutschland geht in der Pandemie in einen nie dagewesenen Lockdown.

15. Juli 2021: Nach anstrengenden Jahren mit Trump und trotz diverser Differenzen betonen Merkel und Joe Biden - der vierte US-Präsident in ihrer Amtszeit - die deutsch-amerikanische Partnerschaft. Die „liebe Freundin“, wie Biden sie nennt, hatte zuvor in Washington von der Johns-Hopkins-Universität die 18. Ehrendoktorwürde erhalten.

18. Juli 2021: Nach den verheerenden Unwettern in Westdeutschland mit mehr als 170 Toten zeigt sich die Kanzlerin erschüttert. Mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) macht sie sich im verwüsteten Dorf Schuld ein Bild von der „surrealen, gespenstischen Situation“, wie Merkel sie nennt.

(dpa)
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