Allensbach-Umfrage Die Elite des Landes hadert heftig mit der Groko

Berlin · Fast drei Viertel der Führungskräfte sorgen sich um die politische Handlungsfähigkeit, sagt eine Allensbach-Studie. Und: Schwarz-Grün wird attraktiver.

Nicht nur bei einigen Otto-Normal-Bürgern ist das Vertrauen in die schwarz-rote Bundesregierung stark angekratzt. Auch die Eliten sorgen sich vor dem Hintergrund der anhaltenden Schwäche von Union und SPD um die Handlungsfähigkeit Deutschlands. Das zeigt jedenfalls eine aktuelle Untersuchung des Allensbach-Instituts für Demoskopie, die am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde.

Fast zwei Drittel der Führungskräfte im Land sind demnach enttäuscht von der großen Koalition in Berlin. 72 Prozent, also fast drei Viertel, sehen deshalb sogar die staatliche Handlungsfähigkeit gefährdet. Die große Koalition aus CDU, CSU und SPD sei von Anfang an eine „Zwangsehe“ gewesen und habe zu einer Schwächung beider – beziehungsweise aller drei – Koalitionspartner geführt, erklärte Allensbach-Chefin Renate Köcher bei der Vorstellung der Untersuchung. Diese beruht auf einer repräsentativen Befragung von 500 Top-Entscheidern aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung – darunter nach Allensbach-Angaben mehr als 350 Spitzenkräfte aus der Wirtschaft, rund 100 Spitzenpolitiker und mehr als 30 Leiter von Bundes- und Landesbehörden.

Trotz aller Kritik geht allerdings eine übergroße Mehrheit (73 Prozent) der Befragten davon aus, dass das Bündnis aus Union und SPD bis zur nächsten regulären Bundestagswahl im Herbst 2021 hält. Hier könnte auch der Wunsch Vater des Gedankens sein. Denn die Regierungsalternativen entfalten aus Sicht der Eliten ebenfalls keine übermäßige Strahlkraft.

Am ehesten können sich die Führungskräfte der Republik den Ergebnissen zufolge noch für Schwarz-Gelb erwärmen. Jeder dritte Befragte (33 Prozent) wünscht sich eine solche Koalition aus Union und FDP. Zugleich sind jedoch 75 Prozent davon überzeugt, dass die Liberalen in den kommenden Jahren „keine wichtige Rolle“ spielen werden. Offenbar hängt den Freidemokraten immer noch das Negativ-Image an, sich nach der Wahl 2017 einem Jamaika-Bündnis verweigert zu haben.

Immerhin 31 Prozent der befragten Top-Kräfte können sich inzwischen auch ein schwarz-grünes Bündnis vorstellen. Noch im Februar lag die Zustimmung hier bei nur 19 Prozent. Das habe mit der politischen Wandlung der Grünen zu tun, meinte Allensbach-Chefin Köcher in Anspielung auf den gewachsenen Pragmatismus der Öko-Partei. Außerdem sei Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Wirtschaft sehr beliebt. Gut die Hälfte der Top-Entscheider sieht in einer grünen Regierungsbeteiligung daher auch mehr Chancen als Risiken.

Gespalten ist man bei der Frage, wer der aussichtsreichste Kanzlerkandidat der Union sein könnte. Hier setzen die Führungskräfte der Wirtschaft – wenig überraschend – auf den einstigen Fraktionschef Friedrich Merz (45 Prozent), die politischen Eliten dagegen auf den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (37 Prozent). Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer kommt abgeschlagen auf den dritten Platz. Nur 21 Prozent der Politik-Spitzen halten die Saarländerin für kanzlertauglich. Unter den Wirtschafts-Eliten sind es gerade einmal acht Prozent.

Erst vor wenigen Tagen hatte das Allensbach-Instutut Zahlen veröffentlicht, wonach sich zwei Drittel der Bevölkerung über die politische Entwicklung im Land große Sorgen machen. So nehmen 64 Prozent der Bürger die SPD als „zerstritten“ wahr, 53 Prozent die Union. In der laufenden Legislaturperiode sei „das Zutrauen in die Regierungsleistung und auch die politische Stabilität geradezu erdrutschartig verfallen“, resümierte Institutschefin Köcher diese Ergebnisse. Ticken Volk und Eliten also gleich? Nach Einschätzung Köchers gibt es einen bemerkenswerten Unterschied: „Die Führungsspitzen zweifeln an der Handlungsfähigkeit der Regierung, aber nicht am politischen System.“

Das „Elite-Panel“ wird vom Allensbach-Institut am Bodensee im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des Wirtschaftsmagazins Capital seit 1987 regelmäßig erstellt. Die Befragung für die jüngste Untersuchung fand zwischen dem 14. Oktober und dem 4. November statt.

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