Gegenwind für Gastgeber Friedrich

Berlin · Ärger ist inzwischen eher Regel als Ausnahme bei der Islamkonferenz. Nun stellen Muslimverbände den Sinn der Runde infrage. Wie es weitergeht, ist unklar.

Muslimische Verbände fordern eine komplette Neuausrichtung der Islamkonferenz nach der Bundestagswahl. Das bisherige Format habe keinen Sinn mehr, beklagten gestern mehrere beteiligte Organisationen in Berlin bei der letzten Sitzung der Islamkonferenz in dieser Legislaturperiode. Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) schlug vor, die Arbeit regionaler auszurichten und neue Themen aufzunehmen. Zentrale Forderungen wie die Ausgliederung des Gremiums aus dem Innenressort wies er aber zurück.

In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime. Die Islamkonferenz soll den Austausch zwischen Staat und Muslimen verbessern und die Integration voranbringen. "In dieser Form macht es keinen großen Sinn mehr", sagte jedoch Bekir Alboga von der Organisation Ditib. Der Dialog sei unentbehrlich, aber müsse anders ablaufen. "Ich sehne mich nach einer echten Partnerschaft", sagte er. Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte, bislang gebe es keine gleichberechtigte Teilhabe der muslimischen Vertreter. Friedrich habe versucht, die Runde zu einer Sicherheitskonferenz zu machen. Die Alevitische Gemeinde Deutschland verlangte, Debatten nicht länger im Keim zu ersticken, sondern offen auch heikle Fragen zu bereden.

Oppositionspolitiker werteten die Einwände als berechtigt. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD), sagte: "So wie die Konferenz sich entwickelt hat, muss die Frage erlaubt sein, ob sie in dieser Form unter der Federführung der Innenminister noch Sinn macht." Die Themen Sicherheit und Terrorismus seien zu sehr in den Fokus geraten. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast verlangte einen Neustart. Friedrich habe zu viel Porzellan zerschlagen.

Der Ressortchef wehrte sich gegen die Vorwürfe. Die Themen Sicherheit und Terror hätten bei der Konferenz nie eine Rolle gespielt. Die Bilanz sei "außerordentlich positiv". Der Minister warb dafür, die Arbeit der Runde stärker in die Länder und Kommunen zu tragen und neue Themen wie Lebenshilfe in den Blick zu nehmen.

Die Debatte über die Zukunft der Islamkonferenz überlagerte den eigentlichen Schwerpunkt des diesjährigen Treffens: den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus unter Muslimen und Islamismus. Die Runde verständigte sich auf Eckpunkte für eine bessere Förderung von Jugendprojekten. Unter anderem sollen Lehrer und Leiter von Jugendgruppen besser fortgebildet werden.

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HintergrundIn Deutschland leben nach Schätzungen der Bundesregierung 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime; davon haben rund 45 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung beträgt zwischen 4,6 und 5,2 Prozent. Laut einer Studie des Bundesamtes für Migration bezeichnen sich 86 Prozent der befragten Muslime als gläubig oder sehr gläubig. Rund 90 Prozent halten sich an die islamischen Speisevorschriften. Ein Drittel gibt an, mehrmals in der Woche zu beten. kna

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