Landesregierung spart sich sogar den großen Streit

Wenn es stimmt, dass die schwersten Geburten die schönsten Kinder bringen, muss die große Koalition ein ziemlich hässliches Baby gewesen sein. Denn anders als bei ihrer verpatzten Wahl zur Jamaika-Ministerpräsidentin im August 2011, die sich Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nach dem zweiten Wahlgang mit dem Geburts-Vergleich schönredete, ist das Bündnis aus CDU und SPD vor einem Jahr ohne Komplikationen gestartet.

 Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) wollen in der Koalition „auf Augenhöhe“ regieren. Fotos: B&B/dpa

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) wollen in der Koalition „auf Augenhöhe“ regieren. Fotos: B&B/dpa

 Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) wollen in der Koalition „auf Augenhöhe“ regieren. Fotos: B&B/dpa

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) wollen in der Koalition „auf Augenhöhe“ regieren. Fotos: B&B/dpa



Wo Kramp-Karrenbauer und ihr Vize Heiko Maas (SPD) auch auftreten, die Duz-Freunde vermitteln den Eindruck, dass sie nach der Landtagswahl vom 25. März 2012 genau das bekommen haben, was sie wollten: "Stabilität und eine verlässliche Regierung", eine "Koalition auf Augenhöhe". Vom neuen SR-Saarlandtrend dürfen sich beide deshalb bestätigt fühlen. Als sich jüngst ein SZ-Journalist bei einer Pressekonferenz nach den größten Konflikten im ersten Jahr erkundigte, überlegte Kramp-Karrenbauer kurz, schaute rätselnd zu Maas hinüber und fragte ihn: "Fällt dir was ein?" Später fiel ihm tatsächlich etwas ein: der Streit um eine Erhöhung der Elternbeiträge für freiwillige Ganztagsschulen. Kramp-Karrenbauer schob noch nach, es gebe durchaus Meinungsverschiedenheiten zwischen CDU und SPD, aber die trage man nicht in der Öffentlichkeit aus.

In der Tat arbeitete die Koalition im ersten Jahr, zumindest nach außen hin, geräuscharm. Gleich zu Beginn wurden die Regierung verkleinert und die Versorgungsansprüche der Kabinettsmitglieder gesenkt - symbolische Politik, die zeigen soll, dass "wir die Treppe beim Sparen von oben kehren" (Maas). Zudem wurden ei n millionenschwerer kommunaler Entlastungsfonds und andere Vorhaben (siehe Texte unten) auf den Weg gebracht. Mit einem verschärften Tariftreue-Gesetz und einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor setzte die SPD zwei zentrale Vorhaben um - was indes auch, typisch saarländisch, die sozialkatholische Landes-CDU prinzipiell gut findet.

Die Christdemokraten wiederum sind ganz zufrieden mit dem vereinbarten "Schulfrieden" und dem Schuldenbremsen-Sparkurs, den die SPD in der Opposition lange bekämpft hatte. Selbst beim Thema Steuererhöhungen und anderen strittigen Fragen der Bundespolitik wären sich Maas und Kramp-Karrenbauer, die beiden Pragmatiker, wohl relativ rasch einig, wenn sie nicht, gerade im Bundestagswahlkampf, Rücksicht auf ihre Bundesparteien nehmen müssten. Deshalb werden sie im Bundesrat auch erst nach der Bundestagswahl im September einen Anlauf für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes unternehmen.

Die große Koalition versteht sich nicht als Allianz der gesellschaftlichen Projekte - anders als Jamaika, das sich als "breites gesellschaftliches Bündnis zur ökonomischen, ökologischen und sozialen Erneuerung des Saarlandes" sah. Genau genommen hat die große Koalition nur ein einziges großes Projekt: die dauerhafte Sicherung der Eigenständigkeit des Landes. "Das ist die zentrale Frage, um nicht zu sagen die Schicksalsfrage, die sich uns stellt", mahnte Kramp-Karrenbauer in ihrer Regierungserklärung am 16. Mai 2012. Die nächsten Jahre würden daher "eine der wichtigsten Phasen in der Geschichte unseres Landes" seit 1957.

Der Weg zur Sicherung der Eigenständigkeit ist die Einhaltung der Schuldenbremse. Sie verlangt, dass das Land ab dem Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr aufnimmt. Pro Jahr will die Regierung ihre Einsparsumme um 65 Millionen Euro erhöhen. Ein knappes Viertel davon soll der Job-Abbau im öffentlichen Dienst bringen. Bis 2020 wollen CDU und SPD 2400 Stellen streichen, Näheres wird man wohl beim nächsten Spitzenreffen mit den Gewerkschaften am 8. Juni erfahren. Gerade beim Personal lauern politische Sprengfallen: Einerseits können die Staatsdiener nach Ansicht der Regierenden vom Sparen nicht ausgenommen werden, weil sie 37 Prozent aller Ausgaben ausmachen. Andererseits haben gerade die Beamten schon in den vergangenen Jahren bluten müssen. Klar scheint aber bereits, dass das Pensionsalter auf 67 Jahre steigen soll (Polizei, Justizvollzug, Feuerwehr: 62). Denn das ist eine weitere Einsicht der Landesregierung: Das arme Saarland darf sich nicht mehr leisten als die anderen Bundesländer, wenn es deren Solidarität nicht riskieren will.

Wo außer beim Personal und bei den Förderprogrammen des Landes noch größere Brocken eingespart werden sollen, lässt sich bisher nur erahnen. Von "kniffligen Jahren" bis 2017 spricht Kramp-Karrenbauer vage. Maas ergänzt, nur die Rasenmäher-Methode - also überall gleichmäßig ein bisschen zu kürzen - werde nicht mehr reichen. Die Fragen etwa, was aus den Hochschulen des Landes, dem Homburger Uni-Klinikum oder dem Staatstheater wird, sind noch nicht beantwortet. Erste Antworten für 2014 wird es bei einer Haushaltsklausur der Landesregierung am 17. Juni geben. In den Folgejahren dürfte es angesichts des Sparzwangs dann auch in der Koalition ungemütlicher zugehen. Zumal die SPD stärker als die CDU den Spardruck durch höhere Steuern mildern will.

Bis dahin will die Regierung mit einem harten Sanierungskurs den anderen Ländern in der anstehenden Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs erst einmal zeigen, dass sie ihre Hausaufgaben macht. Bislang hält das Saarland denn auch die strikten Sparvorgaben des Stabilitätsrates, eines Bund-Länder-Gremiums zur Haushaltsüberwachung, ein. Für 2013 wurden unter anderem 48 Millionen Euro beim staatlichen Hochbau gekürzt und die Grunderwerbsteuer auf 5,5 Prozent erhöht (16 Millionen Euro).

Doch was passiert, wenn die Konjunktur eines Tages größere Schrammen abbekommt und die sprudelnden Steuereinnahmen so wegbrechen? Daran will derzeit in der Koalition lieber niemand denken. Dann, so tröstet man sich in den Regierungsparteien, bekämen auch die anderen Bundesländer große Schwierigkeiten.

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