Duell unter Koalitionspartnerinnen

Kramp-Karrenbauer und Rehlinger zu Machtoptionen, einem Schulz-Effekt, Bouillon und dem Streit um G8/G9.

Herbst: Ist es für Sie als Herausforderin ein Nachteil, dass Sie die Amtsinhaberin wegen der gemeinsamen Regierungszeit nicht so richtig angreifen können?

Rehlinger: Es geht auch in einem Wahlkampf nicht darum, jemanden persönlich anzugreifen, sondern darum, deutlich zu machen, was man in den nächsten fünf Jahren für dieses Landes erreichen will. Da gibt es Unterschiede, die wird man auch in den nächsten Wochen noch viel deutlicher sehen. Die hat es auch in der Amtszeit gegeben, wir haben uns allerdings eher auf die Gemeinsamkeiten konzentriert und nach Lösungen gesucht. Das war auch das, was das Land gebraucht hat und was die Menschen erwartet haben.

Herbst: Sie wollen in jedem Fall eine große Koalition, auch wenn es eine andere rechnerische Mehrheit geben sollte. Warum?

Kramp-Karrenbauer: Weil wir in den nächsten fünf Jahren das fortführen und in trockene Tücher bringen müssen, was wir in den ersten fünf Jahren begonnen haben. Wir haben uns mehr Spielraum im Haushalt hart erkämpft, da müssen die Weichen richtig gestellt werden. Wir haben große Reformen in diesem Land vor uns, viele Strukturen werden verändert werden müssen, das können zwei Volksparteien miteinander besser tun als ein unsicheres Dreierbündnis mit einer knappen Mehrheit.

Klein: Sonderlich populär ist Rot-Rot-Grün nicht. Macht das überhaupt Sinn, ernsthaft eine Option zu verfolgen, die so unbeliebt ist?

Rehlinger: Große Koalitionen haben traditionell natürlich immer höhere Zustimmungswerte, als es andere Konstellationen mit sich bringen. Es ist vor allem ein Ausdruck der Wählerinnen und Wähler dafür, dass sie sehr zufrieden sind mit unserer Arbeit. Wir stehen ja auch zu allen Erfolgen in dieser großen Koalition, das waren ja auch eine ganze Reihe. Wir wissen aber nunmal auch, dass gerade bei den letzten Landtagswahlen viel Bewegung im gesamten Spektrum war. Die Ausschließeritis hat in den seltensten Fällen zu irgendetwas geführt. Es kommt darauf an, welches Votum die Wählerinnen und Wähler uns am 26. März mit auf den Weg geben, danach werden wir uns auch richten.

Herbst: Bei der letzten Umfrage hat es für Rot-Rot-Grün nicht gereicht. Denken Sie, dass der Rücktritt von Sigmar Gabriel und die Inthronisierung von Martin Schulz auch im Saarland etwas ändern könnte?

Kramp-Karrenbauer: Martin Schulz ist im Moment gehypt, er verbringt seine Zeit damit, Enthusiasmus zu verbreiten. Von ihm ist bisher nur bekannt, dass er sagt, ich will Kanzler werden, egal mit wem. Er gibt viele schöne Allgemeinplätze von sich, die jeder von uns unterstreichen kann. Die wird er aber konkretisieren müssen. Ob die Euphorie dann noch so groß ist, wird man dann sehen.

Klein: Bringt Martin Schulz wirklich Rückenwind?

Rehlinger: Es ist eine sensationelle Aufbruchstimmung zu spüren, das Gute ist: Sie ist nicht nur zu spüren innerhalb der SPD, sondern auch in der Bevölkerung. Ich glaube durchaus, dass eine Emotionalität da ist, dass wieder über Themen gesprochen wird und dass für Inhalte und Werte gekämpft wird. Wenn wir es mit der SPD im Saarland schaffen, das zu halten, was wir in der Vergangenheit immer geschafft haben, nämlich sechs Prozentpunkte auf den Bundestrend draufzulegen, dann ist das auch für uns ein schönes Signal und dann ist auch das Rennen wieder offen. Damit werden wir sicherlich auf einen spannenden Wahltermin hinsteuern.

Herbst: Nach dem Anschlag in Berlin hat Innenminister Klaus Bouillon zunächst von einem "Kriegszustand" gesprochen, ist allerdings später zurückgerudert. Wie gefährlich ist eine solche Wortwahl?

Rehlinger: Es war eine unpassende Wortwahl. Sie hat die Situation nicht zutreffend beschrieben, es war ein abscheulicher Terrorakt in Berlin. Insofern ist es gut, wenn er es zurückgenommen hat, es ist aber auch die Verantwortung, darauf zu achten, dass wir alle mit der richtigen Wortwahl unterwegs sind, denn wir wollen die Leute nicht verunsichern. Das ist genau der Boden, auf dem andere ihre Früchte ernten wollen, da sollten wir Demokraten auf gar keinen Fall einen Beitrag leisten.

Klein: War das ein Rollenspiel, dass Klaus Bouillon der Mann für die harten Worte ist und Sie ihn dann wieder zurückpfeifen und ausgleichen?

Kramp-Karrenbauer: Nein, Klaus Bouillon hat mit diesem Begriff etwas ausgedrückt, was viele Menschen in diesem Land in diesem Moment auch so empfunden haben. Ich habe damals öffentlich gesagt und habe das auch mit ihm besprochen, und er ist dieser Argumentation gefolgt: Für mich ist dieses Wort deshalb unpassend, weil wir damit die Terroristen zu etwas machen, als das sie sich selbst sehen: Krieger, Soldaten, die für eine höhere Sache kämpfen. Sie sind aber nichts anderes als Terroristen und feige Mörder. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Wort vermeiden.

Herbst: War die Rolle rückwärts bei G8/G9 für die SPD wirklich klug? Auch der Bildungsminister steht nicht ganz so toll da, weil ihm viele das nicht abnehmen.

Rehlinger: Es ist keine Rolle rückwärts. Wir sind genau bei der Meinung geblieben, die wir schon hatten, als 2001 das Ganze eingeführt worden ist, damals von uns als G8-Murks bezeichnet. Leider haben wir recht behalten: Alles, was wir damals haben kommen sehen, ist auch gekommen. Es gab den Leistungsdruck, die Kinder waren nicht mehr in der Lage, so in den Vereinen mitzumachen. Die Eltern haben das allesamt beklagt, es war ein Konjunkturprogramm für Nachhilfe-Institute. Es ist nachher nochmal ein bisschen abgemildert worden, aber richtig gut ist es nie geworden.

Herbst: War das G8 damals ein Fehler, hat man zu stark auf die Wirtschaft gehört?

Kramp-Karrenbauer: Das, was wir im Moment erleben mit der SPD, ist natürlich dem Wahlkampf geschuldet. Wir haben vor wenigen Jahren eine große Schulverfassungsänderung gemacht, da war klar, wir wollen im Saarland zwei Wege zum Abitur eröffnen: Den einen in acht Jahren übers Gymnasium, den anderen in neun Jahren über die Gemeinschaftsschulen und über das berufliche Bildungssystem. Darüber hat es im vergangenen Jahr noch eine große Anhörung im Landtag gegeben und ich habe noch gut die Kollegen der SPD im Ohr, die gesagt haben: Dieses System stimmt, man kann nicht alle drei Jahre die Schulstruktur ändern. Das, was wir in den nächsten Jahren leisten müssen, ist eine umfassende Modernisierung der Schulen, ist Schulzufriedenheit. Wir werden auch weiter am Gymnasium verbessern müssen, wir werden insbesondere auch weiter die Gemeinschaftsschulen als Alternative in neun Jahren profilieren müssen. Aber wenn wir jetzt beginnen, noch einmal die Schulstrukturen aufzuweichen, haben wir in den nächsten fünf Jahren eine unproduktive Struktur-Diskussion.

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