China und Taiwan reichen sich die Hände

Nanjing · 65 Jahre dauert die Rivalität zwischen China und Taiwan. Mehrfach drohte Krieg. Die Militärs auf beiden Seiten sind schwer bewaffnet. Nun reichen sich Politiker die Hände. Aber Experten sind skeptisch.

Im Blitzlichtgewitter der Fotoapparate schütteln sie die Hände. Wang Yu-chi lächelt. Es ist sein größter Triumph, als Taiwans Minister für Festlandfragen seinem Pekinger Amtskollegen Zhang Zhijun in China die Hand geben zu können. Noch immer sind laut Schätzungen Hunderte Raketen von Ostchina auf Taiwan gerichtet und umgekehrt. 65 Jahre Rivalität trennen beide Regierungen. Aber an diesem Tag im Konferenzraum in Nanjing rund 1000 Kilometer südlich von Peking wirkt alles weit weg. Nicht mal Flaggen wurden in dem Raum aufgehängt, nichts sollte die bahnbrechende Annäherung zwischen Peking und Taipeh gefährden.

Es sind die ersten offiziellen Gespräche seit 1949. Seit der Gründung der Volksrepublik China durch Mao Zedongs Kommunisten und der Errichtung der Republik China durch Chiang Kai-sheks Kuomintang. Der viertägige Besuch von Wang und seiner 13-köpfigen Delegation ist ein Schritt zur Annäherung von China und Taiwan, das fast nirgendwo als Staat anerkannt ist und diplomatisch zwischen allen Stühlen sitzt. Selbst in Sotschi laufen die taiwanischen Athleten unter einer Fahne mit den fünf olympischen Ringen.

"Eine wertvolle Möglichkeit" nannte Wang das Treffen und hofft auf einen dauerhaften Austausch. Vielleicht mit der Schaffung von ständigen Vertretungen wie zu Zeiten der deutschen Teilung, in Zukunft womöglich auch mit Gesprächen zwischen den beiden Präsidenten. Vielen Taiwanern bereitet eine solche Annäherung aber Unbehagen. Zu groß ist die Angst vor einer zu engen Umarmung Pekings.

Vor 65 Jahren stießen Chiang Kai-sheks Truppen und andere Flüchtlinge vom Festland in Taiwan auf die dort schon lange lebenden Chinesen und Ureinwohner. Während auf Festland-China der rote Terror der Kommunisten herrschte, unterjochte Chiang Kai-shek mit seinem weißen Terror die Insel im Westpazifik und errichtete ein ebenfalls diktatorisches Regime.

Erst im Jahr 1987 war es vorbei mit der Diktatur in Taiwan. Seitdem hat das Land mühsam den Weg zur Demokratie gefunden und sucht weiterhin seine Identität. Das 23 Millionen-Einwohner-Archipel quält sich mit der Frage, wie es seine Eigenständigkeit gegenüber der Volksrepublik behaupten kann.

Für Festland-China ist die Sache klar. Peking betrachtet Taiwan als "abtrünnige Provinz". 1993 war es schon einmal zu einem historischen Treffen der Feinde gekommen, allerdings auf nicht-staatlicher Ebene. Als mit Chen Shui-bian im Jahr 2000 die Demokratische Fortschrittspartei (DFP) an die Macht gekommen war, kühlten die Beziehungen auf ein Minimum ab. Mit seiner Agenda von der Loslösung Taiwans von China provozierte Chen regelmäßig die Führung in Peking, nahm immer wieder Drohungen von einem militärischen Schlag der Festlandchinesen hin. Auch die Rolle der USA, die Taiwan militärisch unterstützen, erschwert die Beziehungen.

Im Jahr 2008, als die DFP wieder der Kuomintang Platz machen musste, änderte sich auch der Ton aus Taipeh. Präsident Ma Ying-jeou gibt sich versöhnlicher - und schürt damit wiederum die Ängste der taiwanischen Opposition, ihre Insel tappe mit Ma womöglich in eine "Ein-China-Falle". Tatsächlich strebt die Volksrepublik den Anschluss Taiwans an, womöglich nach dem Hongkong-Modell "Ein Land, zwei Systeme". Erst kürzlich sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, die Frage der Wiedervereinigung müsse "Schritt für Schritt vorangehen" und dürfe "nicht von Generation zu Generation weitergegeben werden".

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