Brüssel will noch mehr Daten sammeln

Brüssel. Wer spricht wann mit wem? Die Vorratsdatenspeicherung soll diese Informationen für den Kampf gegen den Terror sichern. Doch nun stellt sich immer deutlicher heraus, dass die EU-Kommission Mitte des Jahres noch sehr viel weiter in die elektronische Kommunikation eingreifen und zugleich aufmüpfige Mitgliedstaaten wie Deutschland zur Übernahme der neuen Auflagen zwingen will

Brüssel. Wer spricht wann mit wem? Die Vorratsdatenspeicherung soll diese Informationen für den Kampf gegen den Terror sichern. Doch nun stellt sich immer deutlicher heraus, dass die EU-Kommission Mitte des Jahres noch sehr viel weiter in die elektronische Kommunikation eingreifen und zugleich aufmüpfige Mitgliedstaaten wie Deutschland zur Übernahme der neuen Auflagen zwingen will.In Brüssel sind Papiere im Umlauf, die belegen, dass nicht mehr länger über eine Richtlinie nachgedacht wird, die von den nationalen Regierungen und Parlamenten in das eigenen Rechtssystem übertragen werden muss. Stattdessen erwägt die Kommission, die Vorratsdatenspeicherung über das Instrument einer Verordnung durchzusetzen. Diese tritt ohne Chance auf Veränderung durch die Mitgliedstaaten in Kraft. Dabei gehe es der europäischen Behörde, so ist zu hören, nicht mehr nur um das Sammeln von Verbindungsdaten zur Abwehr "schwerer Straftaten" oder des Terrorismus. Immer klarer kristallisiert sich heraus, dass die gewonnenen Informationen auch für zivilrechtliche Verfahren wie beispielsweise gegen Raubkopierer oder illegale Downloads von Musik und Filmen genutzt werden sollen.

Grund dafür sei aber nicht nur das Drängen der einschlägigen Branche. Brüssel tut sich offenbar schwer, den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung für die Strafverfolgung plausibel zu begründen. In einem Bericht heißt es, bisher hätten nur elf der 27 EU-Mitglieder Belege dafür geliefert, dass die umstrittene Datenerfassung und -speicherung bis zu zwei Jahren einen "Mehrwert für die Fahnder" mit sich bringt.

Nützlichkeit nachweisen

Die Kommission habe deshalb "händeringend" in den Hauptstädten um Unterlagen gebeten, um die Nützlichkeit nachweisen zu können. Obwohl die Richtlinie seit Jahren in Kraft ist und jetzt nur eine Überarbeitung ansteht, kommt Brüssel bei der Klärung fachlicher Widersprüche nicht weiter. So sei der Begriff "schwere Straftat" bisher nicht definiert.

Der Versuch, die Verordnung auf alle Internet-Telefondienste, sozialen Netzwerke und vor allem Chat-Systeme sowie Instant Messenger auszudehnen, bringt ebenso weitere Probleme wie die Klärung des Begriffes "electronic Mail". Neben der bekannten E-Mail gibt es nämlich auch Dienste, bei denen Mails allein über das Internet aufgerufen, bearbeitet und versandt werden. Nach Expertenangaben ist eine Speicherung dieser Verbindungsdaten nur möglich, wenn man auch die Mitteilungen selbst erfasst. Das aber wäre ein glatter Tabubruch. Bisher war stets betont worden, dass man lediglich die Verbindungs- und Standortinformationen speichern werde, nicht aber die mitgeteilten Inhalte.

Meinung

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Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Wirklich klar ist bei der Vorratsdatenspeicherung vor allem, dass nichts klar ist. EU-Mitgliedstaaten, Fahndungsbehörden und Sicherheitsexperten tun sich sogar schwer zu belegen,wozu dieser pauschale Eingriff in die Online-Kommunikation aller Bürger überhaupt nötig sein soll. Schließlich bieten die Gesetze auch heute schon viele Grundlagen, beim Verdacht schwerer Straftaten in die Kommunikation einzugreifen. Dass man in Brüssel nun aber offenbar bereit ist, die Richtlinie auch zu einem Fahndungsinstrument gegen Raubkopierer und Nutzer illegaler Downloads zu machen, ist unbegreiflich. Es wird Zeit, dass man ohne ideologische Brille feststellt, ob wir eine solch gravierende Maßnahme wirklich brauchen.

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