Amnesty wirft der Welt Versagen vor

London · Klare Worte: Die größte und anerkannteste Menschenrechtsorganisation stellt der Weltgemeinschaft ein vernichtendes Zeugnis aus. Sie habe nicht nur versagt. Ihr fehlten auch die Mittel, um die dringendsten Probleme unserer Zeit zu lösen.

Amnesty International hat angesichts der verheerenden Menschenrechtslage in vielen Ländern der Welt zum Generalangriff auf das Krisenmanagement der Weltgemeinschaft ausgeholt. Der Weltsicherheitsrat habe als Instrument versagt, die Europäische Union (EU) stecke ihren Kopf in den Sand, etwa beim Umgang mit der Flüchtlingssituation im Mittelmeer. Für das laufende Jahr sieht Amnesty schwarz: Mehr Menschen unter der Knute von brutalen Terroristen, mehr Menschen unter der Fuchtel von Anti-Terror-Gesetzen, die nicht gerechtfertigt seien.

Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty forderte die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) auf, in Fällen von Völkermord und ähnlichen schweren Verbrechen ihr Vetorecht aufzugeben. "Der Weltsicherheitsrat hat in Syrien, im Irak, in Gaza, Israel und der Ukraine versagt", heißt es im Jahresbericht der Organisation, der die Menschenrechtssituation in 160 Ländern der Welt untersucht hat.

Durch eine Aufgabe des Vetorechtes erhielte der Weltsicherheitsrat größeren Spielraum, Zivilisten in bewaffneten Konflikten zu schützen. "Es wäre ein kraftvolles Signal, dass die Welt nicht tatenlos danebensitzt, während massenhaft Gräuel stattfinden", sagte Amnesty-Generaldirektor Salil Shetty.

Die Vereinten Nationen seien vor 70 Jahren geschaffen worden, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie im Zweiten Weltkrieg nie wieder geschehen zu lassen. "Wir sehen jetzt Gewalt im riesigen Maßstab und eine dadurch entstandene enorme Flüchtlingskrise", sagte Shetty. Die Weltgemeinschaft habe absolut versagt, brauchbare Lösungen für die dringendsten Notwendigkeiten der Gegenwart zu finden.

Die Regierungen müssten endlich aufhören so zu tun, als ob sie die Rechte von Zivilisten nicht gewährleisten könnten. "2014 war ein katastrophales Jahr für Millionen, die in gewaltsame Auseinandersetzungen geraten sind", heißt es in dem Bericht. "Die weltweite Antwort von Staaten und bewaffneten Gruppierungen war beschämend."

Als "besonders besorgniserregend" wertete Amnesty die zunehmende Macht von nicht-staatlichen Gruppen wie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Aber auch Regierungen in den Krisenregionen sowie in westlichen Ländern erhielten ein schlechtes Zeugnis. Sie versuchten, Menschenrechtsverletzungen mit der Ausrede zu rechtfertigen, für Sicherheit sorgen zu müssen.

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