Pariser Bürgermeister im Anti-Auto-Kampf

Paris. In den Träumen von Bertrand Delanoë sieht Paris wohl so aus: Idyllisch begrünt mit großzügigen Flaniermeilen, an deren Rändern Radfahrer genügend Platz haben, so dass motorisierte Gefährte weitgehend überflüssig werden. Leise passieren Elektroautos die Boulevards - aber nicht zu viele. Von Lastwagen und Diesel-Stinkern keine Spur

Paris. In den Träumen von Bertrand Delanoë sieht Paris wohl so aus: Idyllisch begrünt mit großzügigen Flaniermeilen, an deren Rändern Radfahrer genügend Platz haben, so dass motorisierte Gefährte weitgehend überflüssig werden. Leise passieren Elektroautos die Boulevards - aber nicht zu viele. Von Lastwagen und Diesel-Stinkern keine Spur. Doch die Maßnahmen, die der Bürgermeister der französischen Hauptstadt im Sinne hat, um diese Vision zu realisieren, nennen seine Gegner eine Hexenjagd. Vor allem Automobil-Clubs sperren sich gegen seinen Aktionsplan zur Verringerung der innerstädtischen Luftverschmutzung. Er wolle Paris endgültig zu einer leblosen "Museumsstadt" machen, kritisiert die Online-Zeitung "Auto-News".Der Plan, der nun im Stadtrat diskutiert wurde, soll Paris "gesünder, sicherer und lärmberuhigt" machen, erklären seine Autoren. Vorgesehen ist ein Verbot von Autos, die älter als 17 Jahre sind, und von Zweirädern über zehn Jahren. Außerdem soll die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf der Ringautobahn um Paris, dem Périphérique, von 80 auf 70 Stundenkilometer heruntergesetzt werden, um die Luftverschmutzung und die Lärmbelästigung zu verringern, aber auch die Unfallgefahr: Einer Studie zufolge senkt eine fünfprozentige Geschwindigkeits-Verringerung das Risiko tödlicher Unfälle um 20 Prozent. Fernlaster sollen verboten und eine Öko-Abgabe für Lkw eingeführt werden. Außerdem soll es neue 30er-Zonen in der ganzen Stadt geben.

Das letzte Wort bei diesen Maßnahmen hat der Staat; doch die Front der Kritiker ist breit. Automobil-Clubs weisen darauf hin, dass nur drei Prozent der Autos in Paris älter als 17 Jahre seien. Zudem wären besonders Geringverdiener betroffen, die sich neue Autos nicht leisten könnten, kritisiert Pierre Chasseray von der Vereinigung "40 Millionen Autofahrer": "Das wäre eine echte Diskriminierung." Delanoë sehe eine Stadt für kinderlose Gutverdiener vor.

Einer Erhebung zufolge besitzen 59 Prozent der Haushalte in Paris kein eigenes Auto. Das Verkehrsaufkommen ging demnach in zehn Jahren um ein Viertel zurück - was kaum zu glauben scheint angesichts der täglichen Situation zu Spitzenzeiten. Viele stört der erbitterte Kampf gegen den Verkehr, dem sich Delanoë verschrieben hat. Er ließ massiv Radwege bauen, lancierte ein Leihrad-System und zuletzt ein Projekt mit 3000 Elektroautos zum Ausleihen. Zugleich haben umfangreiche Bauarbeiten an beiden Ufern der Seine begonnen. Auf der linken Seite wird ein Bereich komplett für den Verkehr gesperrt.Foto: demarthon/afp

Meinung

Stadtmaut wäre sinnvoller

Von SZ-KorrespondentinBirgit Holzer

Bertrand Delanoë führt seit Jahren einen ehrgeizigen und mutigen Kampf für ein ökologischeres Paris, der dem Sozialisten den Ruf eingebracht hat, grüner als die Grünen zu sein. Dem Bürgermeister ist es zu verdanken, dass sich Paris zu einer Stadt entwickelt, in der Radfahren ohne größeres Lebensrisiko möglich ist, in der immer mehr Elektroautos fahren und die Ufer der Seine lebenswerter für Fußgänger werden; das erhöht die Lebensqualität der Bewohner und erhält die Attraktivität für Touristen. Doch manche seiner Maßnahmen verlagern das Problem nur: Indem er die Fluss-Ufer teils sperrt oder schwerer befahrbar macht, erhöht sich das Verkehrschaos noch weiter, weil die Autos auf andere, ebenfalls bereits überlastete Straßen ausweichen.

Eine konsequentere Lösung wäre angesichts der räumlichen Beengtheit von Paris wohl tatsächlich eine Stadtmaut für Nicht-Anwohner. Um sie durchzusetzen, müsste Delanoë aber noch einige Jahre so ehrgeizig weiterkämpfen - doch 2014 tritt er ab.

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