Kein buckliger Quasimodo

Paris. Der Glöckner von Notre Dame heißt nicht Quasimodo und hat auch keinen Buckel. Der derzeitige Chefglöckner der legendären, frühgotischen Kathedrale auf der Seine-Insel Saint-Denise im Herzen von Paris heißt Stephane Urbain und ist 41 Jahre alt. Er ist Herr über die insgesamt fünf Glocken des ab dem Jahr 1163 errichteten Gotteshauses

 Stephane Urbain im Glockenturm von Notre Dame. Die schweren Glocken tragen alle einen Namen. Fotos: Nigel Dickinson

Stephane Urbain im Glockenturm von Notre Dame. Die schweren Glocken tragen alle einen Namen. Fotos: Nigel Dickinson

Paris. Der Glöckner von Notre Dame heißt nicht Quasimodo und hat auch keinen Buckel. Der derzeitige Chefglöckner der legendären, frühgotischen Kathedrale auf der Seine-Insel Saint-Denise im Herzen von Paris heißt Stephane Urbain und ist 41 Jahre alt. Er ist Herr über die insgesamt fünf Glocken des ab dem Jahr 1163 errichteten Gotteshauses. Im Südturm hängt die gewaltige, 13 000 Kilogramm schwere Glocke "Emmanuel", die vier Glocken im Nordturm tragen Namen wie "Angelique Francoise" oder "Denise David".

Als Urbain als Glöckner von Notre Dame sein Amt antrat, läuteten die Glocken der Kathedrale nur drei Mal am Tag. Er programmierte dann den Glocken-Computer um, der in der Kathedrale liebevoll "Quasimodo" genannt wird - nach dem in Victor Hugos Roman "Der Glöckner von Notre Dame" (1831) unsterblich gemachten Buckligen. Seitdem erklingt zu jeder Stunde eine kleine Melodie, die je nach liturgischer Zeit variiert. "Übrigens musste auch zu Zeiten des Glöckners aus dem Hugo-Roman niemand die Glocken in den 69 Meter hohen Türmen der Kirche mit einem Seil zum Läuten bringen", erzählt Urbain. Seine Vor-Vorgänger brachten die Glocken mit einem Fußpedal aus Holz zum Läuten, das immer noch im Südturm zu besichtigen ist.

Stephane Urbain, der auch nicht im Entferntesten an die hässlich geschminkten Filmschauspieler-Glöckner Anthony Quinn oder Charles Laughton erinnert, ist im französischen Wallfahrtsort Lourdes groß geworden. "Glocken habe ich von Kindesbeinen an geliebt", sagt er. Seine Favoritin unter den Notre-Dame-Glocken ist "Emmanuel" - nach seinen Worten die einzige, die noch wirklich exakt klingt. Sie hat sogar die Wirren der französischen Revolution heil überstanden, während andere Notre-Dame-Glocken eingeschmolzen und zu Waffen verarbeitet wurden. Was viele Fans des Romans und der zahlreichen Verfilmungen nicht wissen, ist, dass der Name "Quasimodo" sich ableitet vom lateinischen Quasimodogeniti, dem Weißen Sonntag. Das ist in den Kirchen der erste Sonntag nach Ostern. Im Roman von Victor Hugo wird der kleine verkrüppelte und entstellte Quasimodo an eben diesem Sonntag im Vorhof der Kathedrale gefunden.

Und im Grunde verdankt das Gotteshaus Notre Dame, das jedes Jahr von über zwölf Millionen Menschen besucht wird, dem Roman auch seine Restaurierung. Denn als das Buch 1831 unter dem Titel "Notre-Dame de Paris" erschien, war die Kathedrale infolge der Revolutionswirren geplündert, teilweise zerstört und diente unter anderem als riesiges Wein-Depot.

Hugos Roman schließlich war es, der die Schönheit des Gebäudes wieder ins Blickfeld rückte und 1844 zu der Entscheidung für eine umfassende Restaurierungskampagne beitrug. Mehr als 20 Jahre lang wurde nun gebaut. Steinmetze ersetzten die beschädigten oder fehlenden Skulpturen, die Kathedrale erhielt einen neuen Dachreiter, der seitdem 90 Meter in die Höhe ragt.

Glöckner Stephane Urbain ist stolz auf seinen Arbeitsplatz in der weltberühmten Kirche. Vom Turm aus kann er sogar in ein paar hundert Metern Entfernung "Esmeralda" sehen. Allerdings nicht die schöne Tänzerin aus Hugos Roman, sondern ein kleines Hotel, das den Namen der von Quasimodo verehrten Esmeralda trägt.

Die Kathedrale Notre Dame ist täglich von 8 bis 18.45 Uhr geöffnet; Samstag und Sonntag bis 19.15 Uhr. Der Eintritt ist frei. Kostenlose Führungen auf Deutsch jeden Freitag und Samstag um 14 Uhr.

"Glocken habe ich von Kindesbeinen an geliebt."

Stephane Urbain, Chefglöckner von Notre Dame

 Stephane Urbain ist stolz auf seinen Arbeitsplatz Notre Dame.

Stephane Urbain ist stolz auf seinen Arbeitsplatz Notre Dame.

 Stephane Urbain im Glockenturm von Notre Dame. Die schweren Glocken tragen alle einen Namen. Fotos: Nigel Dickinson

Stephane Urbain im Glockenturm von Notre Dame. Die schweren Glocken tragen alle einen Namen. Fotos: Nigel Dickinson

 Stephane Urbain ist stolz auf seinen Arbeitsplatz Notre Dame.

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