Salzburger Festspiele Frivole Travestieklamotte mit viel Gleitgel

Salzburg/Berlin · Barrie Kosky gilt als Meister des leichten Genres. Bei den Salzburger Festspielen triumphiert er mit seiner ausgelassenen Version von Offenbachs „Orphée aux enfers“.

 Die Party-Gesellschaft: Szene aus Koskys orgiastischer Inszenierung von „Orpheus in der Unterwelt“ in Salzburg.

Die Party-Gesellschaft: Szene aus Koskys orgiastischer Inszenierung von „Orpheus in der Unterwelt“ in Salzburg.

Foto: dpa/Leo

Vor 18 Jahren erlebten die Salzburger Festspiele einen feinen Operettenskandal. Zu seinem Abschied hatte Festspielerneuerer Gerard Mortier den gestrengen Hans Neuenfels die „Fledermaus“ von Johann Strauß inszenieren lassen. Es wurde ein Massaker mit einem pöbelnden und koksenden Prinzen Orlofsky und einem Gerichtsdiener Frosch, der als grasgrüner Laubfrosch daherkam. Das Haus tobte, viele Zuschauer verließen empört den Saal. Auch am Mittwochabend gab es bei den Festspielen wieder Operette. Diesmal verhackstückte Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, Jacques Offenbachs „Orphée aux enfers“ („Orpheus in der Unterwelt“), und auch diesmal tobte das Haus – vor Begeisterung.

Offenbachs „Orphée“ war die erste echte Operette mit einer ziemlich durchgeknallten Geschichte und schmissiger Musik mit dem berühmten „Höllengalopp“, den noch heute als „Cancan“ jedes Kind pfeifen kann. Weit weg vom Mythos des göttlichsten aller Sänger, der mit seiner Stimme selbst Steine zum Weinen bringt. Bei Offenbach ist er ein mittelmäßiger Geiger, der Eurydike mit seinem Geschabe so nervt, dass sie froh ist, vermittels eines tödlichen Schlangenbisses in der Unterwelt zu landen, wo es so ausgelassen zugeht, dass selbst die gelangweilten Götter aus dem Olymp hinabsteigen.

Barrie Kosky ist als Meister des heiteren Genres bekannt und erfolgreich. Auch diesmal triumphierte er. Doch gelang ihm das mit recht platten theatralischen Mitteln. Kosky machte aus dem „Orphée“ eine vulgäre Travestieklamotte, eine Aneinanderreihung derber Gags und Anzüglichkeiten – so beglückt etwa Jupiter Eurydike mit einem Glitzerpenis und befriedigt sich dann selbst.

Nun war auch Offenbach (1819-1880) kein Kind von Traurigkeit. Doch er war auch ein großer Künstler, der der Doppelmoral seiner Zeit den Spiegel vorhielt. Als deutscher Jude in Paris saß Offenbach, wie auch Heinrich Heine, zeitlebens zwischen allen Stühlen. Nach dem Fall des zweiten Kaiserreiches infolge des deutschen Sieges im Krieg von 1870/71 wurde er in Paris als Deutscher und in Deutschland als jüdischer „Landesverräter“ beschimpft. Zu Offenbachs 200. Geburtstag, der dieses Jahr gefeiert wird, hätte man sich schon ein wenig mehr gewünscht als nur einen dauergeilen Partyknaller.

Offenbachs Musik, vor allem die lyrischen Passagen, litt unter dem nicht immer jugendfreien Dauerfeuer aus Koskys mit Unmengen von Gleitgel geschmierter Theatermaschine. Zumal der italienische Dirigent Enrique Mazzola, Erster Gastdirigent an der Deutschen Oper Berlin, die Wiener Philharmoniker zu einem recht preußischen Klang animierte, vor allem in den großen Tanz-Tableaux viel zu laut und so grobkörnig wie die ganze Show. So hörte man fast nichts von den bezaubernden lautmalerischen Passagen.

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