Wo der Wind die Zitronen in die Welt trug

Limone sul Garda · Zitrusfrüchte waren einst der Exportschlager des Örtchens Limone am Gardasee. Dank eines besonderen Windes, der Ora, gelangten sie bis an die kaiserlichen Höfe in Wien und St. Petersburg.

 Ein Ort, der zum Verweilen einlädt: Limone am Gardasee. Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda

Ein Ort, der zum Verweilen einlädt: Limone am Gardasee. Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda

Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda

Nach der Ora, italienisch für Stunde, kann man die Uhr stellen. Zur Mittagszeit setzt der Südwind, Ora genannt, ein, bläst stetig und kräuselt das Wasser. Er wird bis in den späten Nachmittag anhalten. Schon immer schätzten die Menschen um den Gardasee seine Verlässlichkeit. Die Ora schuf die klimatischen Bedingungen für den Zitronenanbau. Dank des Windes brachten die Limoneser ihre Zitrusfrüchte nach Riva del Garda und von dort aus an die Fürstenhöfe nördlich der Alpen. Noch heute rühmt sich das schmucke Städtchen Limone damit, dass hier - am 45. Breitengrad - die nördlichsten Zitrusfrüchte der Welt wachsen. Mönche aus Gargnano sollen bereits Anfang des 17. Jahrhunderts die ersten Stecklinge mitgebracht haben. Um die frostempfindlichen Pflanzen zu kultivieren, musste einiges an Hirn und Muskeln angestrengt werden. Man kann dies heute nach einem steilen Aufstieg vom Hafen hinauf zur Limonaia del Castel sehen. An die Felsen geschmiegt, auf sieben Terrassen und beschützt von großen Balken, zwischen die im Winter Glasfenster gesetzt wurden, wachsen dort Zitronen , Süß- und Bitterorangen, Bergamotten, Pampelmusen und Mandarinen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein blühte der Handel mit den Zitronen . Dann kam der Niedergang. Im harten Winter 1928/29 erfroren viele Bäume. Während der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg wurden auch die Anlagen zerstört. Zitronen waren auf einmal ein rares Gut.

"Damals galten Zitronen als wertvolles Tauschmittel", weiß Alberto Dagnoli, dessen größte Freude es ist, Besucher durch das Gewächshaus, "seine" Limonaia, zu führen. Heute ist der Zitronenanbau, da Südfrüchte in kurzer Zeit rund um den Globus geflogen werden, nicht mehr wirtschaftlich oder gar exklusiv. Ein Teil der ehemaligen Plantage ist nun überdacht und dient als Museum. Viel Wissenswertes erfährt der Besucher dort über die Kunst des Anbaus.

Vier Mal im Jahr konnte geerntet werden, pro Baum um die 500 Kilo, oft mehr. Die Männer stiegen auf die Leitern. Die Frauen durften nur - weil sie Röcke trugen - auf die erste Stufe steigen. Sie nahmen die Früchte in Empfang und schlugen jede einzeln in weißes Seidenpapier ein.

Zitronen , Fisch und Olivenöl waren lange die Hauptbestandteile der Nahrung in dem isolierten Fischernest. Bis in die 1930er Jahre, als Mussolini die Panoramastraße Gardesana Occidentale in die Felsen sprengen ließ, war Limone nur über das Wasser zu erreichen. Heirat unter Verwandten war nichts Ungewöhnliches. Geschadet hat all dies nicht. Den Limoneser liegt ein langes Leben im Blut. Heute ist es wissenschaftlich bewiesen, dass ein besonderes Protein Arteriosklerose verhindert, die Blutbahnen sozusagen putzt. "Lange leben in Limone , heißt es. Als meine Eltern und Großeltern so alt waren wie ich, waren sie immer noch flink wie die Wiesel", erzählt Dagnoli. "Und das mussten sie auch sein." Allein die schweren Kisten mit den Zitronen die steilen, schmalen Gassen hinunter zur kleinen Hafenbucht zu transportieren, war ein echter Knochenjob. Alles musste per Boot verfrachtet werden. Doch zum Glück konnte man sich darauf verlassen, dass auf dem See die Ora half.

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 Die Zitrusfrüchte aus Limone waren einst ein begehrtes Exportprodukt. Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda

Die Zitrusfrüchte aus Limone waren einst ein begehrtes Exportprodukt. Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda

Foto: Consorzio Turistico Limone sul Garda
 Der Limoneser Alberto Dagnoli freut sich, dass auf der Plantage wieder reichlich Zitronen wachsen. Foto: Heinrich

Der Limoneser Alberto Dagnoli freut sich, dass auf der Plantage wieder reichlich Zitronen wachsen. Foto: Heinrich

Foto: Heinrich

Auf einen Blick Über die Brennerautobahn bis zur Ausfahrt Rovereto Süd, weiter auf der SS240 bis Riva del Garda und weiter nach Limone . Der Flughafen Mailand liegt mit dem Auto rund zwei Stunden entfernt. Das Zitronengewächshaus Limonaia del Castello ist von April bis Oktober jeden Tag von 10 bis 18 Uhr geöffnet (Tel.: 0039/0365 954008). Informationen: Consorzio Turistico Limonese, Via IV Novembre, 29/L, I - 25010 Limone sul Garda (Tel.: 0039/0365 954720). dpa visitgarda.com

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