Der Streisand-Effekt Wenn der Schuss nach hinten losgeht

Malibu/Bremen · Wer Unliebsames aus dem Internet entfernen will, erreicht damit oft das Gegenteil. Dafür gibt es viele prominente Beispiele.

  Ein Video des Youtubers Rezo erhielt große Aufmerksamkeit, nachdem CDU-Politiker es scharf kritisierten hatten.

Ein Video des Youtubers Rezo erhielt große Aufmerksamkeit, nachdem CDU-Politiker es scharf kritisierten hatten.

Foto: dpa/-

Es kommt immer wieder vor: Ein Foto, ein Video oder eine bestimmte Information landet im Internet und jemand stört sich daran. Bei dem Versuch, dieses Ärgernis ebenso gründlich wie unbemerkt aus dem Netz zu entfernen, passiert dann oft das genaue Gegenteil: es wird in kürzester Zeit verbreitet und findet plötzlich eine riesige Aufmerksamkeit. Dieses Phänomen hat einen Namen: der Streisand-Effekt.

Seinen Ursprung hat der Begriff im Jahr 2003. Der Fotograf Kenneth Adelman machte für ein Geografieprojekt insgesamt 12 000 Luftaufnahmen der kalifornischen Küste. Ohne es zu wissen, lichtete er dabei das Privathaus der US-Sängerin Barbra Streisand in Malibu ab und veröffentlichte die Bilder auf der Fotoplattform Pictopia. Als Streisand versuchte, den Fotografen mit einer 50-Millionen-Dollar-Klage zur Löschung der Fotos zu zwingen, wurde die Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Die Klage war erfolglos und das Bild ihrer Villa wurde im folgenden Monat von über 420 000 Personen aufgerufen, wie die britische Nachrichtenanstalt BBC berichtete. Zuvor sei das Bild lediglich sechsmal heruntergeladen worden, davon zweimal von Streisands Anwälten. Noch heute ist das Foto des Hauses in der Wikipedia zu finden.

Fachleute sprechen von umgekehrter Psychologie. Wird einem Menschen ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben, tut er stattdessen aus Trotz das Gegenteil. Das funktioniert auch in der Online-Welt. So gewinnt eine eigentlich belanglose Information an Brisanz, sobald eine Person oder Unternehmen gegen die Veröffentlichung vorgeht, zum Beispiel in Form einer Klage. Der Versuch, die Information geheim zu halten, macht sie umso interessanter.

Selbst vor blauem Blut macht der Streisand-Effekt nicht Halt: Der thailändische König Bhumibol Adulyadej verordnete eine Sperre der Videoplattform Youtube, da er sich von einigen Videos in seiner Funktion als Staatsoberhaupt beleidigt fühlte. Adulyadej warf den Machern Majestätsbeleidigung und Verachtung der Monarchie vor, auf die nach thailändischem Gesetz eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren steht. Die Gegenreaktion folgte prompt: Es erschienen zahlreiche Videos, die den König absichtlich verunglimpften.

Neben berühmten Persönlichkeiten hatten auch einige Unternehmen mit dem Netzphänomen zu kämpfen. So versuchte die Schweizer Bank Julius Bär im Jahr 2008 Kundendaten, die auf der Online-Enthüllungsplattform Wikileaks aufgetaucht waren, gerichtlich entfernen zu lassen. Laut Internetportal „Heise Online“ wurden erst durch diesen Prozess Bürgerrechtsorganisationen wie die US-amerikanische Stiftung Electronic Frontier Foundation (EFF) auf die Plattform aufmerksam und setzten sich für sie ein. Die Dokumente verbreiteten sich anschließend im Internet weiter.

Die Deutsche Bahn kennt das Phänomen ebenfalls. Das Nachrichtenportal Netzpolitik.org hatte im Jahr 2009 ein internes Dokument über anonyme Informanten in den Reihen der Bahn veröffentlicht. Das Unternehmen mahnte den Betreiber der Webseite daraufhin ab. Erst deshalb wurde eine größere Öffentlichkeit auf das Dokument aufmerksam. Die Bahn zog ihre Abmahnung nach wenigen Tagen zurück.

Ein Jahr später klagte die Stadt Duisburg gegen das Lokalblog „Xtranews“. Die Stadt warf der Webseite vor, städtische Unterlagen veröffentlicht zu haben, darunter die Ratsbeschlüsse zur Loveparade 2010 sowie Polizeiberichte, Zeugenaussagen und Planungsdokumente der Veranstaltung. Innerhalb weniger Stunden verbreiteten die Leser von Xtranews die Dokumente aus Protest gegen die Klage der Stadt in verschiedenen sozialen Netzwerken, wie die Berliner Tageszeitung „Taz“ berichtete.

Das jüngste Beispiel für den Streisand-Effekt dürfte „Die Zerstörung der CDU“ sein, so der Titel des gegen die Politik der Unionspartien gerichteten Videos von Youtuber Rezo. Neben der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierten zahlreiche weitere Parteimitglieder den Film in den sozialen Medien scharf und bescherten dem Beitrag so zusätzliche Aufmerksamkeit. Über 15 Millionen Zuschauer hat das Video des 26-Jährigen seitdem erreicht.

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