Schon wieder die Dahlien

In Martin Suters 2013 erschienenem Krimi „Allmen und die Dahlien“ kam das berühmte Blumenbild des Impressionisten Fantin-Latour abhanden. Der Schluss des Bandes versprach bereits die Fortsetzung des bösen Spiels um das Gemälde. Nun ist es soweit.

Johann Friedrich von Allmens sachdienlichen Hinweis "Es geht schon wieder um die Dahlien" nimmt Mrs. Cutress wenig überrascht zur Kenntnis: Auch ohne detektivischen Spürsinn konnte man aus dem Cliffhanger am Ende des dritten Allmen-Krimis schließen, dass das Dahlien-Bild des französischen Impressionisten Henri Fantin-Latour Allmen und seinen mittelamerikanischen Dr. Watson Carlos noch einmal beschäftigen würde.

Warum die Dahlien, kaum aufgetaucht, gleich wieder gestohlen werden, und wie das alles mit der Entführung von Carlos' Geliebter María zusammen hängt, erschließt sich allerdings nicht auf Anhieb. Überhaupt ist der vierte "Allmen" ein wenig verworren.

Die Fälle als solche - "Kavaliersdelikte im finanziellen High-End-Bereich" - waren für den Kunstermittler von "The Art of Tracing Arts" ja von jeher Nebensache: Ein eleganter Zeitvertreib, der das Angenehme und Geschmackvolle - Cocktails in der Goldenbar, Undercover-Recherchen im Luxushotel, inspirierende Ruhephasen im Eames Lounge Chair - mit dem kriminalistisch Notwendigen und finanziell Lukrativen verband. Aber so langsam scheint Martin Suter bei seinen literarischen Divertissements doch der Stoff auszugehen und vielleicht auch die Lust abhanden zu kommen: Die Kunst des Betrugs wird immer mehr zum routinierten Kunsthandwerk, die weltläufig-polyglotte Sprache "con todo el respeto" immer manierierter: "Die Auftraggeberschaft ist bereit, diese Diskretion sehr angemessen zu remunerieren". Die "rauhe Wirklichkeit" ist betrüblich weit weg.

Wohl auch deshalb tut Allmen diesmal Dinge, die mit der Würde eines sympathischen Snobs eigentlich unvereinbar sind: Schwer angefasst vom Weh seines Butlers, kommt er seinem Faktotum emotional ungebührlich nahe; auf der Suche nach den verschwundenen Dahlien wühlt er sich 20 Seiten lang durch stinkenden Hotelmüll und Kehrichtverbrennungsanlagen. Auch der Autor macht sich die Hände schmutziger als sonst: Erstmals fließen nennenswerte Mengen von Blut und Tränen; Carlos versucht sich als Maya-Voodoozauberer, es gibt eine Verfolgungsjagd und so etwas wie eine Sexszene in der Tiefgarage. Am Ende seines Lateins (aber nicht seiner Spanisch-, Italienisch- und Französisch-Kenntnisse) vergisst der Gentleman-Hoteldetektiv fast seine Morgentoilette und schaltet sogar die Polizei ein, deren kleine "Welt aus Biederkeit, Obrigkeitsdenken und lustig bemalten Kaffeetassen" er bislang ebenso standhaft verachtete wie ihre "penetrante Bürgernähe".

Allmens "ultimative Kapitulation" ist ein doppeltes Armutszeugnis: Der Kunstinvestigator ist wie immer pleite, aber auch Suter braucht offenbar frisches Blut aus vulgären Quellen.

Bahnt sich da etwa eine wunderbare Freundschaft zwischen dem Dandy und den Bullen an? Detektivwachtmeister Gobler ist jedenfalls ein Mann mit Stil. Melancholisch-resigniert, diskret, kompetent, verständnisvoll, kurz: ein wackerer Polizeimann wie Friedrich Glausers Studer oder Dürrenmatts Kommissär Bärlach. Madame Gutbauer und ihr millionenschweres Dahlienbild haben wir dagegen wohl zum letzten Mal gesehen: Oft gestohlen, immer wieder aufgespürt und erneut verschwunden, wird es von der alten Dame kurz vor ihrem - natürlichen - Tod zerfetzt. Auch wenn das Gemälde fachgerecht wieder zusammengeflickt wird, dürfte es als Tatmotiv und ewiger McGuffin nicht mehr zu gebrauchen sein.

Martin Suter: Allmen und die verschwundene María. Diogenes 224 Seiten, 18,90 Euro.

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