Hanseat mit Fleiß, Härte und Präzision

Hamburg · Henning Voscherau gilt als Vater der Hamburger Hafencity, eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Fast zehn Jahre lang lenkte der SPD-Politiker als Bürgermeister die Geschicke der Hansestadt.

 Henning Voscherau 1997 nach seinem Rücktritt. Foto: Nietfeld/dpa

Henning Voscherau 1997 nach seinem Rücktritt. Foto: Nietfeld/dpa

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Für viele Hamburger war Henning Voscherau die Verkörperung eines echten Hanseaten: überaus korrekt, ein wenig kühl und distanziert, mitunter auch arrogant. "Als Großstadtbürgermeister braucht man Fleiß, Härte und Präzision", zitierte der Hamburger Senat gestern seinen ehemaligen Bürgermeister. Voscherau ist im Alter von 75 Jahren in der Nacht auf Mittwoch an den Folgen eines Hirntumors gestorben. Der Hansestadt hinterlässt er ein bedeutendes Erbe: den neuen Stadtteil Hafencity an der Elbe. Voscherau war 1988 ins Amt des Ersten Bürgermeisters gewählt worden.

In die SPD war der Spross einer Hamburger Schauspielerfamilie 1966 eingetreten. Dass Voscherau 1997 einen Schlussstrich unter seine politische Karriere zog, hinderte ihn nicht, sich weiter einzumischen, etwa in der Drogenpolitik, beim umstrittenen Kohlekraftwerk Moorburg oder für weitere Elbvertiefungen. 2008 bot er sich als "Joker" für die SPD-Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl an und schürte so Zweifel, ob das SPD-Personal in Hamburg für die Ablösung von CDU-Bürgermeister Ole von Beust tauge. Das Einverständnis seiner Familie vorausgesetzt, sei er bereit zur Kandidatur, erklärte der verheiratete Vater von drei Kindern damals.

Voscherau, am 13. August 1941 in Hamburg geboren, galt als enger Freund von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD , 1918-2015) und dessen Ehefrau Loki (1919-2010). Er hielt im Hamburger Michel die Trauerrede auf Loki und stand dem Altkanzler bei. Die Bundesnotar-Ordnung nötigte den promovierten Juristen im Alter von 70 Jahren dazu, seinen geliebten Beruf 2011 an den Nagel zu hängen. "Plötzlich" musste er - seit 1974 Notar - sich eine neue Beschäftigung suchen. Er wechselte zur Bürogemeinschaft seines Sohnes, des Immobilienanwalts Carl Christian Voscherau, um dort als Berater im Grunde weiterzumachen wie bisher. Nicht jeder war erfreut, als sich Voscherau 2012 auf Vorschlag des russischen Energieriesen Gazprom zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Gasprojekts South Stream wählen ließ. South Stream sollte eigentlich Gas von Russland durch das Schwarze Meer nach Südeuropa pumpen. Das Projekt wurde jedoch 2014 von Russlands Präsident Wladimir Putin gestoppt.

Kurz darauf übernahm Voscherau in Deutschland den Vorsitz der neuen Mindestlohnkommission, nachdem er zuvor bereits Schlichter war bei Tarifverhandlungen zwischen der Telekom und der Gewerkschaft Verdi.

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