Große Koalition unter Hochspannung

Berlin · In der großen Koalition sprühen derzeit kräftig die Funken. Vor allem in der CSU gibt es Rachegelüste nach dem Sturz von Minister Friedrich über die Edathy-Affäre. Die Parteichefs wollen die Lage jetzt entschärfen.

Grafik: Robby Lorenz

Grafik: Robby Lorenz

Ganz hinten im Regierungsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD steht unter dem Punkt "Kooperation der Parteien", welche Aufgabe der Koalitionsausschuss haben soll: "Er führt in Konfliktfällen Konsens herbei." Heute Abend sollte das erste Treffen stattfinden. Aber der Konflikt, der jetzt ansteht, ist zu heikel für so eine große Runde mit zehn Teilnehmern: der Fall Edathy und seine Folgen. Stattdessen wollen sich nun die drei Parteivorsitzenden im Kanzleramt treffen. Das Ziel: Überhaupt wieder eine Vertrauensgrundlage für die Zusammenarbeit schaffen. Die Koalition steht unter Hochspannung.

Vor allem in der CSU, deren Agrarminister Hans-Peter Friedrich am Freitag zurücktreten musste, gibt es Rachegelüste. Die Christsozialen werfen der SPD, allen voran deren Fraktionschef Thomas Oppermann, vor, Friedrich regelrecht ans Messer geliefert zu haben. Aus der zweiten Reihe der CSU gibt es offene Rücktrittsforderungen gegen den Sozialdemokraten und in der ersten, bei Parteichef Horst Seehofer, wird ihm nichts weniger als Geschwätzigkeit und Vertrauensbruch vorgeworfen.

Sogar ein Kabinettsmitglied meldete sich. "Da ist von Oppermann Vertrauen in der Koalition niedergetrampelt worden", sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt. "Das kann nicht ohne Aufarbeitung bleiben." Oppermann wollte ursprünglich gestern Abend zum ersten Mal als Gast an einer Sitzung der CSU-Landesgruppe teilnehmen, ein lange geplanter Höflichkeitsbesuch, um die Kontakte zu verbessern. Die Christsozialen luden ihn aber kurzfristig wieder aus. Begründung: Ein solcher Besuch sei jetzt absurd.

Als wäre das nicht schon Zündstoff genug, goss am Sonntag auch noch SPD-Vize Ralf Stegner ordentlich Benzin in den Heuhaufen: Man müsse jetzt so schnell wie möglich mit Vorgesprächen zur Bildung einer rot-rot-grünen Koalition im Jahr 2017 beginnen, denn im nächsten Bundestagswahlkampf müsse die Losung lauten: "Merkel muss weg". CDU-Generalsekretär Peter Tauber twitterte daraufhin: "Stegner war zum Glück noch nie da, und das wird auch so bleiben." Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) forderte in der "Rheinischen Post", die SPD müsse deutlich machen, dass sie das Regierungsbündnis tatsächlich vier Jahre lang führen und nicht ins Bett der Linken flüchten wolle.

Auf SPD-Seite war man gestern sichtlich bemüht, den Koalitionspartner zu besänftigen. Dass man es bei der CSU nicht als fair empfinde, wenn der, der die SPD habe warnen wollen, nämlich Hans-Peter Friedrich, nun selbst zum ersten Opfer der Edathy-Affäre werde, dass könne er gut verstehen, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. "Das ist wirklich nicht fair." Aber auch Oppermann habe sich absolut korrekt verhalten, als er Friedrichs Information an die SPD letzte Woche öffentlich machte. Denn es habe von Medien Anfragen dazu gegeben, die sich auf "belastbare Informationen aus Sicherheitskreisen" gestützt hätten, so Gabriels vielsagende Andeutung. Außerdem habe Oppermann seine Erklärung sogar noch mit Friedrich abgesprochen.

Gabriel will bei dem Gespräch heute Abend erreichen, dass die Regierung bald wieder zur Sacharbeit zurückkehrt, wie er sagte. Seehofer betonte jedoch, es gebe viele Fragen und viel zu klären. Schließlich werde man noch öfter in die Situation kommen, dass man dem Koalitionspartner vertraulich etwas mitteile. "Meine Partei ist sehr aufgewühlt", so der CSU-Chef.

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