Frankreichs neuer Premier: Der kühle Konservative aus Le Havre

Paris · Ohne seinen dunklen Vollbart würde kaum jemand in Frankreich Edouard Philippe erkennen. Der Bürgermeister von Le Havre gehört zu den Politikern der zweiten Reihe, die mit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten Emmanuel Macron nach vorne katapultiert wurden. Gestern ernannte Macron den 46-Jährigen zu seinem Premierminister. Damit gelang dem Staatschef, der das traditionelle Rechts-Links-Schema aufbrechen will, ein geschickter Schachzug. Philippe gehört nämlich dem konservativen Lager an und unterstützte als Sprecher den Vorwahlkampf des Kandidaten Alain Juppé. Im Gegensatz zu seinem Mentor scheint der Sohn zweier Französischlehrer aber bereit zu sein, die alten politischen Muster zu verlassen. "Der Wahlsieger hat keine Wahl: Wenn es Emmanuel Macron ist, muss er Grenzen überschreiten. Er muss aus den alten Gegensätzen von rechts und links aussteigen, um eine neue Mehrheit zu schaffen", forderte er nach der ersten Wahlrunde in der Zeitung "Libération", für die der Hobby-Romanautor den Wahlkampf kommentierte.

 Philippe will politische alte Muster verlassen. Foto: dpa

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Grenzüberschreitungen sind die Sache des eher kühl wirkenden Philippe, der zunächst den Sozialisten angehörte. "Ich bin in einem eher linken Umfeld groß geworden, wo man sozialistisch wählte", bekannte der Sohn zweier Französischlehrer, der im französischen Gymnasium in Bonn sein Abitur macht. In der Sozialistischen Partei identifizierte er sich mit Michel Rocard, der einen sozialdemokratischen Kurs vertrat. Als Rocard die Parteiführung aufgeben musste, gab auch Philippe sein Parteibuch zurück, um sich den Konservativen anzuschließen, bei denen er mit 32 Jahren Generalsekretär wurde. In der Partei der Republikaner (LR) blieb der gelernte Anwalt vor allem Juppé treu. "Ich bin ein Mann der Rechten, aber ich weiß, dass das Allgemeinwohl alles Engagement bestimmen sollte", bekannte der Amateurboxer gestern in seiner Ansprache.

Auch wenn Philippe im Wahlkampf gegen Macron stichelte, scheinen sich die beiden Männer gut zu verstehen. "Sie haben viel Vertrauen ineinander und ähneln sich in zahlreichen Punkten: ihre Intelligenz, ihre Kultur, ihre Vision der Gesellschaft", sagte die frühere Juppé-Vertraute Aurore Bergé.

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