SPD-Spitze wirbt für große Koalition

Berlin · Drei Sondierungsrunden dauerte es, bis die SPD-Spitze sich einig war: Ja, Koalitionsverhandlungen mit der Union könnten sich lohnen. Dem soll der Parteikonvent jetzt zustimmen. Enthusiastisch sind die Landesverbände nicht gerade.

Die Erwartungen der Basis dämpfen: Darum hat sich die SPD-Spitze vor dem entscheidenden Parteikonvent am Sonntag bemüht. Die Genossen sollten keine zu hohe Erwartungen an eine "sozialdemokratische Handschrift" in einer großen Koalition haben. Das starke Unions-Wahlergebnis erschwere es der SPD, Ziele wie den Mindestlohn oder mehr betriebliche Mitbestimmung durchzusetzen, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Freitag. "Ein bisschen ist es jetzt so (...), dass die Sozialdemokratie den Auftrag hat, all diese Dinge durchzusetzen in der Regierungspolitik, obwohl sie dafür kein Mandat bekommen hat." Und weiter: "Ich will damit nur vorsichtig andeuten: Das ist jedenfalls keine leichte Aufgabe." Die Union hatte bei der Bundestagswahl 41,5 Prozent der Stimmen erhalten, die SPD 25,7 Prozent.

Die als Galionsfigur der Skeptiker geltende nordrhein-westfälische SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab sich nach den Sondierungsrunden kämpferisch. Sie warb nach ihrem Ja zu den Koalitionsverhandlungen über WDR 2 offensiv um Zustimmung der Basis. "CDU und CSU wissen: Wir werden einen Koalitionsvertrag am Ende nicht unterschreiben, in dem kein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro steht."

In einem Großteil der SPD-Verbände herrscht trotz aller Beschwichtigungsversuche der Parteispitze weiterhin Skepsis. Viele wollen nur zustimmen, wenn sich abzeichnet, dass die SPD eigene Anliegen durchsetzen kann. So beispielsweise SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner vom linken Parteiflügel. "Die Mitglieder werden nur zustimmen, wenn es einen substanziellen Politikwechsel gibt." Ebenfalls zurückhaltend wirkte beispielsweise der Chef der Genossen an der Saar, Heiko Maas. Gegenüber unserer Zeitung sagte er: "Man muss die Ergebnisse jetzt sehr sorgfältig bewerten. Das letzte Wort hat der Parteikonvent."

SPD und Union wollen sich für ihre Gespräche den gesamten November Zeit nehmen. Sind sie abgeschlossen, brauchen die Genossen weitere zwei Wochen für ihren Mitgliederentscheid über einen schwarz-roten Vertrag. Beide Parteien wirkten zuversichtlich, dass eine neue Regierung vor Weihnachten vereidigt sein werde. Nach 1966 und 2005 gäbe es dann zum dritten Mal eine große Koalition. Gabriel versuchte über Facebook, Skeptiker in den eigenen Reihen vor dem Konvent zu besänftigen. "Weder bei den Sondierungen noch in den internen Gesprächen auf SPD-Seite ist bislang über Kabinettsposten auch nur gesprochen worden", beteuerte er. Und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ergänzte in der "Leipziger Volkszeitung": "Ich kann unserer Partei auch nur raten, über dieses Thema in keiner Weise zu spekulieren."

Im SPD-Vorstand wurde trotz erheblicher Bedenken der Parteibasis gegenüber einer Neuauflage der großen Koalition mit breiter Zustimmung des Konvents gerechnet. Andernfalls wäre die Parteispitze um Gabriel und Nahles schwer beschädigt.

Zum Thema:

HintergrundKanzlerin Angela Merkel (CDU) will laut "Die Welt" in einem künftigen Koalitionsvertrag nicht von der Rente mit 67 abrücken. Allerdings sei denkbar, dass Menschen nach 45 Berufsjahren abschlagsfrei in Rente gingen. Das habe sie in einer Telefonkonferenz des CDU-Vorstands deutlich gemacht. Die SPD fordert eine abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren bereits mit dem vollendeten 63. Lebensjahr. Weniger weit scheinen die möglichen Koalitionäre inzwischen beim Mindestlohn zu liegen. Die Union sei hier "kompromissbereit", es müsse aber sichergestellt werden, dass nicht massenweise Arbeitsplätze gefährdet würden. Zudem sei Merkel zuversichtlich für eine Einigung bei der Leiharbeit. Bei der Telefonschalte stimmte die CDU-Führung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort