Brüderles Angriff auf Rösler

Berlin. Unmittelbar vor der Niedersachsen-Wahl gerät der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler in seiner Partei immer stärker unter Druck. Fraktionschef Rainer Brüderle und der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Christian Lindner forderten am Freitag, den für Mai geplanten Parteitag vorzuziehen, um die Führungskrise zu klären

Berlin. Unmittelbar vor der Niedersachsen-Wahl gerät der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler in seiner Partei immer stärker unter Druck. Fraktionschef Rainer Brüderle und der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Christian Lindner forderten am Freitag, den für Mai geplanten Parteitag vorzuziehen, um die Führungskrise zu klären. Die CDU warnte die FDP davor, mit ihren Querelen einen schwarz-gelben Wahlerfolg in Niedersachsen zu gefährden.

Aus dem Umfeld Röslers hieß es, ein gutes Abschneiden am Sonntag in seiner Heimat Niedersachsen wäre auch ein klarer Erfolg des Bundesvorsitzenden. Denkbar ist, dass Rösler dann Brüderle die Spitzenrolle im Bundestagswahlkampf anträgt. Über diese mögliche Arbeitsteilung sagte Rösler der "Rheinischen Post": "Wir ergänzen uns gut. Rainer Brüderle ist ein großartiger Fraktionsvorsitzender, und er wird als starke Stimme der Liberalen im Bundestagswahlkampf gebraucht."

Der 67-jährige Brüderle wird seit langem als aussichtsreichster Kandidat für die Rösler-Nachfolge gehandelt. "Ich stehe hinter Philipp Rösler, und über ungelegte Eier diskutiere ich nicht", sagte Brüderle im ARD-"Morgenmagazin". Ein vorzeitiger Rücktritt Röslers sei "unwahrscheinlich". Bislang wollte die FDP erst Anfang Mai in Nürnberg ihr Spitzenpersonal neu wählen. Mehrere Landesverbände pochen hinter den Kulissen auf ein Vorziehen. Brüderle sagte nun, mit Blick auf die Bundestagswahl im September solle die anstehende Neuwahl der Führung nicht verzögert werden. In FDP-Kreisen hieß es, ein möglicher neuer Parteitagstermin könnte Mitte März sein.

Unterstützung erhielt Brüderle vom nordrhein-westfälischen Landeschef Lindner. "Rainer Brüderle hat sehr bedenkenswerte Argumente geliefert. Wir würden seiner Empfehlung folgen", sagte Lindner. Lindner gilt als Kronprinz, der nach einer Übergangszeit von Brüderle den Vorsitz übernehmen könnte. Im Thomas-Dehler-Haus wird auf rechtliche Probleme verwiesen. So gebe es eine Frist von zwölf Wochen für Satzungsänderungen. Andernfalls könnten Rechte von Delegierten beschnitten sein, die Parteitagsbeschlüsse anfechten könnten.

Die baden-württembergische FDP-Landeschefin Birgit Homburger zeigte sich über Brüderles Vorstoß verärgert. "Partei-Interna klären wir im Bundesvorstand am Montag. Da gehören sie hin", sagte sie den "Stuttgarter Nachrichten". Niedersachsens FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner verteidigte Rösler und kritisierte die Debatte um Parteitagstermine: "Ich habe überhaupt keinen Sinn für solche Diskussionen", sagte Birkner der "Welt".

Die Union beobachtet die Führungsquerelen beim Koalitionspartner mit Sorge. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte der "Welt": "Die FDP tut gut daran, sich bis zur letzten Minute im niedersächsischen Wahlkampf zu engagieren und keine Personalfragen aufzuwerfen." dpa

Foto: Gambarini/dpa

Meinung

Gegner, Feind, Liberaler

Von SZ-Korrespondent

Werner Kolhoff

Nach Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel meint jetzt auch Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle, es spreche "einiges dafür", den Parteitag vorzuziehen. Aber natürlich stehe er hinter Parteichef Philipp Rösler. Nun weiß jeder, der sich ein wenig in der FDP auskennt, dass Brüderle nicht hinter Rösler steht, sondern dessen Nachfolger werden will. Es gibt in der Politik die bekannte Steigerungsformel: Gegner, Feind, Parteifreund. Hinzu kommt jetzt die Supersteigerung: Liberaler. Das Wort steht für einen besonders verlogenen Umgang miteinander. Dem niedersächsischen FDP-Spitzenkandidaten Stefan Birkner, der so kurz vor der Wahl alles brauchen kann, aber nicht auch noch derartige Personaldebatten, müsste es eigentlich übel werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort