Schwächere Konjunktur Top-Experten kappen Konjunkturprognose

Berlin · Die Hochkonjunktur ist aus Sicht der Wirtschaftsweisen vorbei. Sie mahnen Entlastungen für Unternehmen an.

 Christoph Schmidt, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen, erwartet, dass sich der Arbeitsmarkt weiter gut entwickelt.

Christoph Schmidt, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen, erwartet, dass sich der Arbeitsmarkt weiter gut entwickelt.

Foto: dpa/Christian Ditsch

Einen Tag vor dem offiziellen Regierungsbeschluss über die weiteren Haushaltsplanungen des Bundes haben die Wirtschaftsweisen gestern ihr neues Jahresgutachten vorgestellt und die große Koalition zu einem Umdenken in der Steuerpolitik aufgefordert. Mit der Hochkonjunktur in Deutschland ist es laut Gutachten erst einmal vorbei. Von einer Rezession könne dank des starken privaten Konsums aber auch nicht die Rede sein. Verantwortlich für die konjunkturelle Abkühlung sind aus Sicht der auch als „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ bekannten Wirtschaftsweisen die gesunkene Exportnachfrage sowie Engpässe bei den Arbeitskräften und die in vielen Branchen erreichten Kapazitätsgrenzen. Nachfolgend die wichtigsten Punkte ihrer Analyse:

Wachstum: Praktisch alle Wirtschaftsinstitute haben ihre Erwartungen zuletzt nach unten korrigiert. Auch die Wirtschaftsweisen machen hier keine Ausnahme. Für dieses Jahr haben sie ihre Konjunkturprognose nahezu halbiert. Statt 1,5 Prozent wie im letzten November vorhergesagt erwarten sie jetzt nur noch ein Plus von 0,8 Prozent. 2020 könnte die Wirtschaft aber wieder um 1,7 Prozent zulegen, wobei diese optimistische Prognose auch den überdurchschnittlich vielen Arbeitstagen im nächsten Kalenderjahr geschuldet ist. Bereinigt um diesen Effekt liegt der prognostizierte Zuwachs nur bei 1,3 Prozent.

Arbeitsmarkt: „Der Arbeitsmarkt bleibt weiter robust“, erklärte der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Erstmals in Deutschland könnten in diesem Jahr mehr als 45 Millionen Personen erwerbstätig sein. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dürfte im laufenden und im kommenden Jahr um 530 000 beziehungsweise 450 000 zulegen, heißt es in der Expertise.

Empfehlungen: Mit ihren regelmäßigen Gutachten verstehen sich die Wirtschaftsweisen auch als Berater der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr hatten sie zum Beispiel eine härtere Gangart in der Klimapolitik angemahnt. Diesmal stellten sie sich gegen eine von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) befürwortete Fusion der Deutschen Bank und der Commerzbank. Das sei „in jeder Hinsicht eine ganz schlechte Idee“, weil damit die Erfahrungen aus der internationalen Finanzkrise ignoriert würden, so ihr Tenor. Vor dem Hintergrund der Lehman-Pleite wurden seinerzeit angeschlagene Großbanken mit viel Steuergeld gerettet, weil sie als „systemrelevant“ galten. Auch der als gewerkschaftsnah geltende Berliner Ökonom Achim Truger, der Anfang März neu in den Kreis der Wirtschaftsweisen kam, beurteilte eine mögliche Fusion skeptisch.

 Konjunkturprognose

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Foto: SZ/Steffen, Michael

Dem Plädoyer seiner Kollegen für einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags mochte sich Truger allerdings nicht anschließen. Sein Argument: Dadurch werde die staatliche Finanzbasis geschwächt. Union und SPD streiten gegenwärtig darüber, den „Soli“ komplett zu streichen oder nur teilweise, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Demnach soll die Abgabe für die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher erhalten bleiben. Der Wirtschaftsweise Lars Feld verwies jedoch darauf, dass eine komplette Streichung auch zu einer Entlastung von Unternehmen führe, die angesichts des internationalen Wettbewerbs um niedrigere Steuern dringend geboten sei. Überhaupt müsse die Bundesregierung ihre Steuerpolitik überdenken und eine Unternehmenssteuerreform ins Auge fassen, meinte der Chef- Wirtschaftsweise Schmidt.

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