Berlin „Wirtschaftsweise“ fordern Ende des Soli

Berlin · Die Risiken wachsen. Die Konjunktur trübt sich ein. Die „Wirtschaftsweisen“ schreiben der Bundesregierung daher einiges ins Stammbuch.

Soli komplett abschaffen, langfristig Rente mit 70, Maßnahmen gegen die Wohnungsnot: Das sind wirtschaftspolitische Kernforderungen der „Wirtschaftsweisen“. Die Ökonomen sehen Deutschland auch angesichts einer eingetrübten Konjunktur vor wichtigen Weichenstellungen. In ihrem gestern vorgestellten Gutachten senkten sie ihre Wachstumsprognose für das laufende und das kommende Jahr.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Bundesregierung rechnet nun für 2018 mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 1,6 Prozent und für 2019 mit einem Plus von 1,5 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte die deutsche Wirtschaft noch um 2,2 Prozent zugelegt. Im März hatten die Ökonomen noch deutlich höhere Wachstumsraten vorausgesagt: 2,3 Prozent für 2018 und 1,8 Prozent für das kommende Jahr.

Gründe für das schwächere Wachstum seien ungünstigere außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen. Weltweit gibt es Risiken vor allem wegen Handelskonflikten – etwa zwischen den USA und China sowie den USA und der EU. Ein geringeres globales Wachstum trifft auch die Exportnation Deutschland. Daneben herrscht Unsicherheit, weil der Ausstieg Großbritanniens aus der EU weiter unklar ist. In Deutschland wird auch ein Mangel an Fachkräften etwa am Bau oder bei IT-Experten zu einem zunehmenden Problem.

Die Ökonomen nannten zentrale Herausforderungen für die Bundesregierung. Dazu zählt die Steuerpolitik. Die Koalition müsse den verschärften internationalen Steuerwettbewerb annehmen. In den USA und anderen Ländern sind die Unternehmenssteuern gesenkt worden. Die deutsche Wirtschaft verlangt deshalb seit langem eine Reform auch in Deutschland. Die „Wirtschaftsweisen“ sprachen sich mehrheitlich dafür aus, den Solidaritätszuschlag bei der Steuer vollständig abzuschaffen.

In Deutschland würden sich außerdem die Folgen des demografischen Wandels immer stärker zeigen, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Christoph M. Schmidt.  „Zurzeit haben wir eine demografische Atempause, die sich aber dem Ende zuneigt. In der nächsten Dekade gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Das wird uns vor große Herausforderungen stellen.“ Es komme zum Beispiel darauf an, flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen und Betreuungszeiten von Kitas auszubauen.

In der Rentenpolitik gehe es vor allem um Generationengerechtigkeit, sagte Schmidt. „Die nachfolgenden Generationen haben bereits jetzt vergleichsweise hohe Lasten zu tragen.“ Laut Schmidt wäre es sinnvoll, von 2030 an die Lebensarbeitszeit an die weiter steigende Lebenserwartung anzupassen: „Eine höhere Lebenserwartung von drei Jahren könnte zwei Jahre länger arbeiten und ein Jahr länger Ruhestand bedeuten.“ Für die seit 1990 Geborenen würde eine solche Verlängerung der Lebensarbeitszeit nach Darstellung des Ökonomen eine Rente ab 70 bedeuten.

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