Wer ist der faulste EU-Abgeordnete?

Brüssel. Sind Europas Abgeordnete faul? Wenige Tage vor dem Urnengang ist in Brüssel ein heftiger Streit um die Arbeitsleistung der Parlamentarier ausgebrochen. Ins Kreuzfeuer sind dabei einige - allerdings wenige - Europa-Politiker geraten, die nicht einmal jede zweite Sitzung in Brüssel oder Straßburg mit ihrer Anwesenheit beglückten

Brüssel. Sind Europas Abgeordnete faul? Wenige Tage vor dem Urnengang ist in Brüssel ein heftiger Streit um die Arbeitsleistung der Parlamentarier ausgebrochen. Ins Kreuzfeuer sind dabei einige - allerdings wenige - Europa-Politiker geraten, die nicht einmal jede zweite Sitzung in Brüssel oder Straßburg mit ihrer Anwesenheit beglückten. Die Politiker selbst sind wiederum sauer auf die Verwaltung der Volksvertretung, die widersprüchliche Zahlen erst im Nachhinein korrigierte.

Dabei kommen die Deutschen mit einer durchschnittlichen Sitzungspräsenz von über 80 Prozent nicht nur relativ gut weg. Sie gehören sogar zu den Fleißigsten der 27 Mitgliedstaaten. Anders der Franzose Paul Vergès, der sich gerade Mal bei jeder dritten Sitzung sehen ließ. Ein derart sonntägliches Verhältnis zur parlamentarischen Arbeit haben die Deutschen nicht. Der saarländische SPD-Abgeordnete Jo Leinen besuchte immerhin 94 Prozent der Plenarsitzungen, sein CSU-Kollege Markus Ferber 92 Prozent, der liberale Alexander Alvaro war immerhin in 77 Prozent anwesend, die saarländische Grünen Politikerin Hiltrud Breyer tauchte bei 86 Prozent aller Sitzungen auf. Linkspartei-Vertreter Helmuth Markov sogar bei 89 Prozent.

Entzündet hatte sich der Streit allerdings an der FDP-Frontfrau Silvana Koch-Mehrin, die in der Buchhaltung des Europäischen Parlamentes zunächst nur mit 41 Prozent gelistet wurde. Erst nachdem ihre Rechtsanwälte eingeschritten waren, korrigierte man diese Angabe auf 62 Prozent. Der Grund: Die Politikerin war in dieser Legislaturperiode Mutter geworden. Dafür standen ihr 59 politikfreie Tage zu. Trotzdem kein Spitzenwert, zumal der französische EU-Aktivist Flavien Deltort auf seiner Internet-Seite nicht nur peinlich genau auflistet, wer wie oft im Parlament gesessen, sondern dort auch gearbeitet hat. Und da fällt die Bilanz der liberalen Vorkämpferin, die sich in keiner Aussprache mündlich geäußert und keinen einzigen Bericht abgegeben hat, ziemlich eindeutig aus.

Andere waren da fleißiger. Beispielsweise der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Klaus Heiner Lehne, der nicht nur bei 94 Prozent aller Tagungen anwesend war, sondern auch 23 Berichte verfasste. Oder die Grünen-Vertreterin Elisabeth Schroedter (94 Prozent Anwesenheit), die 51 Entschließungsanträge einbrachte. Ihre CSU-Kollegin Anja Weisgerber (79 Prozent Anwesenheit) formulierte 14 schriftliche Anfragen.

Dass solche Zahlen bestenfalls mit Vorsicht zu genießen sind, zeigt der Ire Robert Kilroy-Silk, der zwar 1888 schriftliche Anfragen verfasste, damit aber seine Parlamentskollegen eher nervte, weil sie sich phasenweise mit geballtem Unfug beschäftigen. So wollte er in einem Fall wissen, warum Beerdigungen auf der grünen Insel teurer sind als auf dem europäischen Kontinent, ein Thema, dass die europäische Einigung nur bedingt weiter brachte.

Meinung

Faule Politiker brauchen wir nicht

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Ein bisschen unfair ist die Statistik schon. Schließlich geschieht die entscheidende politische Arbeit nicht im Plenum eines Parlamentes, sondern in den Ausschüssen und Gremien, die die Vorlagen beraten, zerfleddern, neu zusammensetzen und erst dann allen Europa-Parlamentariern zur Entscheidung vorlegen. Trotzdem darf man sich als Bürger schon fragen: Wie engagiert haben unsere Vertreter ihren Auftrag wahrgenommen? Und wenn sich dann jemand als glatte Null-Lösung herausstellt, weil er weder das Wort ergriffen noch einen Bericht angefertigt noch einen Antrag vorgebracht hat, dann darf man sich schon wundern.

Dabei darf man dem Gros der deutschen Abgeordneten durchaus ein Lob aussprechen. Sie gehören zu den besonders engagierten in Straßburg und Brüssel. An entscheidenden Stellen wurde gerade auch in unserem Interesse die Gesetzgebung geprägt. Damit das so bleibt, müssen die Schwachstellen herausgefunden werden. Nicht einmal die Parteifreunde sollten es hinnehmen, dass es sich einige wenige in ihren Reihen einfach nur gemütlich machen.

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