Weitere Angriffe auf türkische Sicherheitskräfte

Istanbul · Ein Attentat auf Militärpolizisten verschärft den Konflikt zwischen türkischer Regierung und PKK. Die Türkei soll bei Luftschlägen auf die PKK auch Zivilisten im Nordirak bombardiert haben.

Mehr als eine Woche nach Beginn der Luftangriffe auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK im Nordirak nehmen die Attentate auf türkische Sicherheitskräfte zu. Bei einem Anschlag in der osttürkischen Provinz Agri wurden gestern nach Armeeangaben zwei Gendarmen getötet und 31 weitere verletzt, vier davon schwer. Das Militär machte die PKK für das Attentat verantwortlich. Die Kämpfer hätten einen mit zwei Tonnen Sprengstoff beladenen Traktor in einen Stützpunkt der Gendarmerie gesteuert und zur Explosion gebracht, hieß es. Berichte über ein Selbstmordattentat wurden zunächst nicht bestätigt.

In der südosttürkischen Provinz Mardin wurde ein Soldat getötet, als er mit seinem Fahrzeug auf eine mutmaßlich von der PKK verlegten Mine fuhr, wie die Nachrichtenagentur DHA berichtete. Ein weiterer Soldat sei verletzt worden. Damit starben innerhalb von elf Tagen bei Anschlägen und Gefechten in der Türkei mindestens 21 Menschen, die meisten davon Sicherheitskräfte .

Auch die Luftschläge auf PKK-Stellungen im Nordirak gingen weiter. Am Samstagmorgen bombardierte die türkische Armee nach eigenen Angaben Logistik der PKK im Nordirak. Anwohner berichteten, dass dabei mindestens acht Zivilisten getötet worden seien. Nach Angaben der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP wurden zehn Zivilisten getötet. Die Streitkräfte wiesen gestern Vorwürfe zurück, sie hätten bewohntes Gebiet bombardiert, zurück.

Der Präsident der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, Massud Barsani, forderte die PKK auf, die Region Kurdistan zu verlassen, um nicht das Leben von Zivilisten zu gefährden, wie die kurdische Zeitung "Rudaw" am Samstag unter Berufung auf eine Erklärung des Büros von Barsani berichtete. Barsani rief die Türkei und die PKK zudem dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Barzanis nordirakische Kurdenregierung (KRG) hat gute Beziehungen zu Ankara. Bereits vor einigen Jahren hatten die nordirakischen Kurden zwischen der Türkei und der PKK vermittelt. KRG und PKK sind Rivalen im Kampf um die Führungsrolle bei den Kurden.

Die Türkei hatte vor gut einer Woche zunächst Angriffe auf Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien geflogen. Nach dem Mord an zwei Polizisten, zu dem sich die PKK bekannte, flogen die Streitkräfte Luftschläge gegen die PKK . Dabei wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu rund 260 PKK-Kämpfer getötet und Hunderte verletzt.

Meinung:

Es droht ein neuer langer Krieg

Von SZ-MitarbeiterinSusanne Güsten

Beide Seiten müssen sich Vorwürfe gefallen lassen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich vom Friedensprozess abgewandt, weil er überzeugt ist, dass die Verhandlungen bei der Wahl im Juni für die Schlappe seiner Regierungspartei AKP sorgten. Die PKK bombt wieder, weil ihre Führung überzeugt ist, dass die türkische Regierung mit dem Islamischen Staat gemeinsame Sache gegen die Kurden macht. Die neue Gewalt birgt das Risiko, dass junge Türken und Kurden den Hass auffrischen und damit die Grundlage für ein neues Jahrzehnt voller Krieg und Elend gelegt wird. Und das, obwohl allen Beteiligten längst klar ist, dass die Kurdenproblematik nicht mit der Waffe zu lösen ist.

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