Ultimatum im Roma-Streit

Brüssel. Frankreich wird wegen der Roma-Abschiebungen an den Pranger gestellt: Die EU-Kommission hat Paris gestern ein letztes Ultimatum vor einem formellen Vertragsverletzungsverfahren gestellt. Sollte Frankreich seine Abschiebepraxis bis Mitte Oktober stoppen und das EU-Recht vollständig anwenden, will Brüssel zurückstecken

Brüssel. Frankreich wird wegen der Roma-Abschiebungen an den Pranger gestellt: Die EU-Kommission hat Paris gestern ein letztes Ultimatum vor einem formellen Vertragsverletzungsverfahren gestellt. Sollte Frankreich seine Abschiebepraxis bis Mitte Oktober stoppen und das EU-Recht vollständig anwenden, will Brüssel zurückstecken.

Nach dem Eklat vor dem EU-Gipfel, als die zuständige EU-Innenkommissarin Viviane Reding sich für Anspielungen auf vergleichbare Deportationen der Nationalsozialisten entschuldigen musste, bedeutet der gestrige Beschluss de facto eine erneute Brüskierung Frankreichs. In den vergangenen Tagen hatten Mitglieder der Pariser Regierung alles unternommen, um Brüssel von der Rechtmäßigkeit der Abschiebungen zu überzeugen. Dass die 26 Kommissare und ihr Präsident José Manuel Barroso (Foto: dpa) sich trotzdem für den Weg eines Verfahrens entschieden haben, zeigt, wie wenig man den Argumenten der Franzosen glaubt.

Deshalb gilt es in Brüssel auch als unwahrscheinlich, dass sich der französische Präsident Nicolas Sarkozy (Foto: afp) dem Ultimatum beugt. Erst am Dienstagabend hatte die Nationalversammlung dem Entwurf eines neuen Ausländerrechtes zugestimmt, der nach einer markigen Rede des Staatsoberhauptes sogar noch verschärft worden war. Künftig will Paris Ausländer, die das Sozialsystem "belasten" oder die "öffentliche Ordnung durch Diebstahl oder aggressives Betteln stören", in ihre Heimatländer abschieben.

Diese Neuregelung (es ist übrigens die fünfte Verschärfung seit 2002, als Sarkozy Innenminister wurde) klingt zwar drastisch, sie steht aber nicht unbedingt im Gegensatz zu den europäischen Gesetzen über Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit. Auch dort wird nämlich eine Ausweisung eingeräumt, vorausgehen muss aber eine Einzelfall-Prüfung. Genau die habe es bei den Massenausweisungen der Roma nicht gegeben, mutmaßt man in Brüssel. Der juristische Dienst der Kommission prüft sogar noch weitere Vorfälle in anderen Ländern, wo es ebenfalls zu "regelrechten Säuberungen" gekommen sei, hieß es gestern. "Unter Umständen" stünden noch weitere Vertragsverletzungsverfahren an. Deutschland wird allerdings nicht beschuldigt.

Sollte Frankreich sich den Auflagen der Kommission nicht beugen, steht im nächsten Schritt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg an. Für den Fall, dass die Richter Brüssel Recht geben, muss Paris die Missstände umgehend beseitigen. Bei erneuten Verstößen könnten dann millionenschwere Strafen folgen.

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