Wenn der "Problem-Bär" wieder brummt

Berlin. Am Freitag hat sich das politische Berlin offiziell in die parlamentarische Sommerpause verabschiedet. Thematisch beginnt damit die sogenannte "saure Gurkenzeit". Oft ist es dann so, dass weitgehend unbekannte Politiker mit abstrusen Ideen plötzlich die Schlagzeilen beherrschen. Wer in diesem Jahr das Sommerloch füllen wird, ist aber noch völlig offen

Berlin. Am Freitag hat sich das politische Berlin offiziell in die parlamentarische Sommerpause verabschiedet. Thematisch beginnt damit die sogenannte "saure Gurkenzeit". Oft ist es dann so, dass weitgehend unbekannte Politiker mit abstrusen Ideen plötzlich die Schlagzeilen beherrschen. Wer in diesem Jahr das Sommerloch füllen wird, ist aber noch völlig offen.Bis Anfang September kehrt Ruhe ein in den hektischen Hauptstadtbetrieb; es gibt kaum Sitzungen, Pressetermine, Hintergrundtreffen. Die Parlamentarier fahren in die Ferien, oder sie leisten erst einmal Arbeit an der Basis im Wahlkreis. Kanzlerin Angela Merkel bleibt aber im Dienst, am Montag geht sie auf Afrika-Reise, in der Woche darauf wird es deutsch-russische Konsultationen geben. Dann wird es auch für Merkel und ihre Minister deutlich ruhiger - wohin die Kanzlerin zur Erholung verreisen wird, ist nicht bekannt.

Keine Gastrollen

In den letzten Sitzungstagen gab es von den Fraktionsführungen wie üblich dezente Aufforderungen an die Abgeordneten, bitteschön keine Gastrollen bei irgendwelchen Sommertheatern zu übernehmen. "Ich bin optimistisch, dass wir das diesmal anderen überlassen werden", heißt es beispielsweise aus der Unionsspitze. Nicht jeder Politiker wird sich erfahrungsgemäß an diese Weisung halten, da die Verlockung zu groß ist, einmal die Schlagzeilen zu bestimmen. Darauf hoffen auch die Journalisten. Noch ist das richtige Thema allerdings noch nicht gefunden - Berliner Beobachter sind sich aber sicher: Die Debatte über die schwarz-gelben Steuersenkungspläne könnte ein Sommerlochfüller werden.

Nun wäre das nur die Fortsetzung des seit Monaten wabernden Streits und somit wenig kreativ. Viel schöner sind da die Ideen, die im Normalzustand des Politbetriebs kaum zur Kenntnis genommen würden, weil sie meist zu gaga sind. Solche gab es in der Vergangenheit reichlich, zum Beispiel die Einführung einer Vier-Tage-Woche für Pendler wegen hoher Spritkosten. Das forderte 2008 der Grüne Winfried Hermann, der jetzt Verkehrsminister in Baden-Württemberg ist. Überliefert ist nicht, ob er seinen damaligen Vorschlag nun mit ministeriellem Druck weiter verfolgt. In der Versenkung verschwunden ist auch die Idee des CDU-Verkehrsexperten Gero Storjohann, der einst mit Nummernschildern für Fahrräder bundesweit in Erscheinung trat - viele Radler würden schließlich "bei Rot über die Ampel oder nachts ohne Licht" fahren, so seine Begründung.

Die einen gegen die anderen auszuspielen, das ist auch ein schöner Sommerloch-Trick. Damit kam Philipp Mißfelder (CDU) vor Jahren zu seinen Meriten. Er fand, dass die gesetzliche Krankenkasse der Generation 85 plus keine künstlichen Hüften mehr bezahlen dürfe. Der Aufstand dagegen tobte wochenlang. Selbst Ex-Kanzler Gerhard Schröder verdiente sich mal einige Sporen im Sommerloch: 2003 reiste der gut gebräunte SPD-Mann nicht nach Italien, weil ein gänzlich unbekannter, italienischer Tourismus-Staatssekretär die Deutschen beleidigt hatte. Apropos Reisen: Legendär ist auch das Theater vor zwei Jahren um den geklauten Dienstwagen der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die ihre Luxuskarosse extra nach Spanien hatte nachkommen lassen. Ähnlich aufregend war nur noch der Braunbär Bruno, der 2006 sogar den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in Turbulenzen brachte - ein "Problem-Bär" halt, wie Stoiber damals meinte.

Ungekrönter König des Sommerlochs bleibt freilich der CSU-Politiker Dionys Jobst. 1993 regte er an, Deutschland solle Mallorca als 17. Bundesland für 50 Milliarden Mark kaufen. Was für ein Theater, das folgte. So ein Sommertreffer dürfte sich auch in diesem Jahr kaum wiederholen lassen.

Auf einen Blick

Die parlamentarische Sommerpause hat in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl von Polit-Blüten hervorgebracht: 1994 etwa wurde dem Landwirtschaftsexperten der CDU, Gottfried Haschke, die Forderung nach einer "Pizza-Steuer" zugeschrieben. Danach sollte jeder Gastronom mindestens ein deutsches Gericht auf der Karte haben, ansonsten drohe eine Sonderabgabe. Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis forderte 1996 zur Eindämmung der Jugendkriminalität ein "Ausgehverbot für Jugendliche nach 21 Uhr". 1997 wollte die damalige Justizsenatorin in Hamburg, Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), das Wahlrecht für Kinder einführen. 1998 forderte Grünen-Abgeordnete Hannelore Saibold, dass die Deutschen nur noch alle fünf Jahre ihren Urlaub im Ausland verbringen sollten: Das eigene Land sei schön genug. red

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