Vom Sorgenkind zum Spar-Primus

Brüssel. Die EU-Fahnen wehen längst in Dublin. Großflächige Plakatwände verkünden, dass das kleine Land mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern in den Mittelpunkt Europas rückt. Pünktlich zum Jahreswechsel übernimmt Ministerpräsident Enda Kenny von seinem zyprischen Kollegen Dimitris Christofias den Vorsitz der EU

Brüssel. Die EU-Fahnen wehen längst in Dublin. Großflächige Plakatwände verkünden, dass das kleine Land mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern in den Mittelpunkt Europas rückt. Pünktlich zum Jahreswechsel übernimmt Ministerpräsident Enda Kenny von seinem zyprischen Kollegen Dimitris Christofias den Vorsitz der EU. Der dürfte nicht undankbar sein, hat sich die halbierte Mittelmeer-Republik doch nicht mit Ruhm bekleckert und einmal mehr die Frage ausgelöst, ob diese halbjährlich wechselnden Ratspräsidentschaften wirklich Sinn machen. Anstatt die Moderatorenrolle in Brüssel an sich zu ziehen, waren die Zyprer weit mehr mit sich selbst beschäftigt, mussten am Ende gar die Flucht unter den Rettungsschirm antreten und sich dadurch einmal mehr wegen ihrer Doppelrolle, als EU-Mitglied gleichzeitig eng mit Russland verbandelt zu sein, kritisieren lassen. Tatsächlich war für das politische Leichtgewicht Zypern fast alles, was die Gemeinschaft in diesem halben Jahr zu lösen hatte, zu schwer.Die Griechenland-Krise, die Installation des ESM und vor allem der Finanzrahmen für 2014 bis 2020 - all das kam entweder ohne zyprische Hilfe zustande, oder es platzte trotz verzweifelter Kompromissbemühungen Nikosias.

Irland ist entschlossen, vieles besser zu machen. "Stabilität, Jobs, Wachstum und nochmal Wachstum", umriss Dublins Außenamtschef Eamon Gilmore das Programm der Iren vor wenigen Tagen. Dabei darf sich das Land als Spar-Primus unter den Ländern fühlen, die ohne Hilfe des Rettungsschirms nicht überlebt hätten. 2013 läuft das Programm der Notkasse aus, eine erste Rückzahlungsrate über 3,1 Milliarden Euro wird im März fällig, könnte aber wohl mit Hilfe der Europäischen Zentralbank verschoben werden. Die Grüne Insel, die in Folge der Immobilienblase vor der Pleite stand, bekam fast 70 Milliarden Euro von den Euro-Partnern. Großbritannien legte noch einmal acht Milliarden drauf. Der Erfolg ist sichtbar: Die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Wirtschaft schreibt erstmals seit Jahren wieder schwarze Zahlen.

"Diese Erfahrungen können uns sehr helfen", heißt es bei Diplomaten in Brüssel. Denn auch in den nächsten Monaten geht es ums Geld: Nach einem geplatzten Sondergipfel im November müssen die Staats- und Regierungschef im Februar einen Schlüssel für die nächste Finanzperiode finden, um Ausgaben von über einer Billion Euro in sieben Jahren zu finanzieren. Griechenland kommt nicht zur Ruhe, dort steht in den nächsten Wochen eine Steuerreform an. Scheitert diese im Athener Parlament, verweigert der Rettungsschirm die Auszahlung der nächsten Neun-Milliarden-Tranche. Im sozialen Bereich stehen wichtige Weichenstellungen beispielsweise bei der Arbeitszeit-Richtlinie an. Außerdem rüstet sich die Union für die Umwälzungen, die die Wahlen in zwei ihrer wichtigsten Mitgliedstaaten mit sich bringen könnten: Im Februar wählt Italien, im September Deutschland. Fast 60 Millionen Euro hat Dublin investiert, um im EU-Vorsitz zu glänzen - immerhin 50 Millionen weniger als noch 2004. Das war nicht zuletzt deswegen möglich, weil man private Firmen als Sponsoren einlud, die daraufhin 14 Millionen Euro locker machten. Trotzdem werden sich die rund 15 000 diplomatischen Besucher auf karge Kost einstellen müssen, wenn sie zu den über 100 Konferenzen anreisen: Statt Mineralwasser wird Leitungswasser bereitgestellt. Und die früher üblichen Gastgeschenke hat man gestrichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort