Die da schwärmen von Ruhe und Natur

Saarbrücken. Man kann es albern finden oder absurd: Doch wenn die deutsche Presse-Landschaft auf die schöne Landschaft blickt, die wir Saarland nennen, geht es fast immer noch fast nur um - Lafontaine, Nicole und Heinz Becker. "Wo ich wohne, ist es so schön, andernorts würden sie eine Wandtapete davon machen", zitierte "Die Zeit" im vergangenen März Gerd Dudenhöffer

Saarbrücken. Man kann es albern finden oder absurd: Doch wenn die deutsche Presse-Landschaft auf die schöne Landschaft blickt, die wir Saarland nennen, geht es fast immer noch fast nur um - Lafontaine, Nicole und Heinz Becker. "Wo ich wohne, ist es so schön, andernorts würden sie eine Wandtapete davon machen", zitierte "Die Zeit" im vergangenen März Gerd Dudenhöffer. Thema des Artikels war die Landtagswahl und die "außergewöhnliche Nähe" der Saarländer - eine Nähe, die schnell in Abneigung umschlagen könne. "Das Saarland ist Deutschlands Hochburg der Duz-Feindschaften", hieß es da unter der Überschrift "So viel Feindschaft auf so wenig Raum". Auch die "Frankfurter Rundschau" druckte im Frühjahr ein großes Saarland-Interview - klar, mit Dudenhöffer.

Für die Deutsche Presse-Agentur (dpa), die ihre Nachrichten überall in der Republik verbreitet, war die Landtagswahl ebenfalls die beherrschende Saarland-Materie 2012. Daneben ging es wieder einmal um Nicole (30 Jahre nach ihren Triumph von Harrogate), um Oskar Lafontaine ("Von Berlin zurück ins Puppentheater") sowie um die neuen "Tatort"-Ermittler. Immerhin: Auch der Abschied vom Bergbau, der 70. Geburtstag von Reinhard Klimmt oder ein Grauhörnchen, das Menschen angreift, waren der größten deutschen Nachrichtenagentur größere Berichte wert.

In den letzten Tagen des Jahres aber überrascht sie nun mit einer besonderen Geschichte, Titel: "Schrumpfendes Saarland - Aber Promis entdecken die Region". Sie handelt davon, dass das Saarland immer mehr Einwohner verliert, es jedoch auch "Lichtblicke" gibt: "Einige Prominente haben das kleine Bundesland nahe Frankreich für sich entdeckt. Sie schwärmen von Ruhe und Natur."

Einige Prominente ist ein wenig viel gesagt, die Geschichte beschäftigt sich mit Fußball-Schwergewicht Reiner Calmund, Wanderbuch-Autor Manuel Andrack, Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht und dem früheren Weltklasse-Handballer Christian Schwarzer. Dennoch: Das, was die Zugereisten sagen über Land und Leute, streichelt die saarländische Seele.

Los geht's mit Calmund. Der gebürtige Rheinländer, der (wie SZ-Leser seit Anfang Juli wissen) jetzt in Saarlouis wohnt und sich "sauwohl" fühlt, erzählt nochmals, dass er beinahe nach Berlin gezogen wäre. Aber die Hauptstadt sei dann doch zu hektisch gewesen. Calmund, so steht es geschrieben, hoffe auf die "heilsame Wirkung der saarländischen Randlage". Er wird dann mit dem überaus hübschen Satz zitiert: "Ich würde jederzeit mit Ja antworten, wenn mich jemand fragen würde, ob er ins Saarland ziehen soll."

Es stimmt: Calmund hat eine Entscheidung gegen den Trend getroffen. Denn das Saarland schrumpft ja wirklich. Nur noch 1 013 352 Menschen lebten Ende 2011 hier - das waren 4215 weniger als ein Jahr davor. Setzt sich die Entwicklung fort, wird das Saarland 2015 die Millionen-Marke unterschreiten.

Gegen den Trend - auch Manuel Andrack hat sich so entschieden. "Das Saarland ist am Rand, aber sexy", sagt der ehemalige Redaktionsleiter von Harald Schmidt, der 2008 der Liebe wegen aus Köln nach Saarbrücken zog - und weiterhin begeistert ist. "Es gibt viel Natur, Frankreich ist nah, auch Luxemburg", zählt Andrack auf. Als passionierter Wanderer habe der Umzug "mehrere Qualitätssprünge" bedeutet, lässt er die dpa wissen. Schließlich habe die überschaubare Einwohnerzahl Vorteile: "Hier kennt ein Einziger direkt fünf andere, die man bei Problemen fragen kann." Selbst ein Kontakt in ein Ministerium sei schnell hergestellt: "Modern nennt man das wohl Vernetzung." Da könne selbst das Kölner Beziehungsgeflecht - "Klüngel" genannt - kaum mithalten. Im positiven Sinne.

Zum Schluss kommt in der Promiland-Geschichte noch Christian Schwarzer zu Wort, einer der Köpfe der Handball-Weltmeister von 2007. Der gebürtige Braunschweiger lebte in Hamburg und im Laufe seiner Karriere auch in Barcelona. Heimisch wurde er jedoch 1991 in Niederwürzbach. Der 4000-Seelen-Ort ohne Ampel sei perfekt für eine Familie mit Haus und Pferd, sagt er. Insgesamt lobt Schwarzer: "Die Saarländer sind offen, freundlich und warmherzig."

Warmherzig - das Wort beschreibt den "Marken-Kern" des Saarlandes sehr gut, findet Birgit Grauvogel, die Geschäftsführerin der Tourismus-Zentrale, als sie durch die SZ von dem dpa-Bericht erfährt. "Warmherzigkeit, das Netzwerken im positiven Sinne, die kurzen Wege, das menschliche Miteinander, die gegenseitige Hilfe - das zeichnet die Saarländer aus, damit können wir punkten." Grauvogel freut sich über die "durchweg positiven Aussagen" der Prominenten und die damit verbundene bundesweite Imagewerbung. Zwar sei das Saarland für viele noch ein Geheimtipp, wichtig sei aber, dass "generell mehr Leute etwas Positives lesen oder hören über uns. Und wenn das ein anerkannter Prominenter und dann auch noch sehr emotional tut, wirkt das sicherlich mehr."

Dass außerhalb des Landes positive Botschaften verbreitet werden, ist ganz im Sinne von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Erst gestern betonte sie, wie wichtig es sei, die Vorzüge des Landes stärker herauszustellen. Als Idealvorstellung schwebt ihr vor, dass jeder Saarländer zum "Marken-Botschafter" wird, der selbstbewusst von den Stärken der Region berichtet. Mit einer positiven Einstellung könnten die Bürger auch kluge Köpfe von außen überzeugen.

Kluge und bekannte Köpfe - die Tourismus-Managerin Grauvogel hätte nichts dagegen. "Es können gerne noch mehr Prominente kommen", sagt sie und lacht. Zwar haben sich bislang keine weiteren Berühmtheiten angekündigt. Andrack aber glaubt, dass sich die Attraktivität des Landes noch herumsprechen wird: "Ich habe jedenfalls keine Angst, irgendwann allein im Saarland zu sein." "Hier kennt ein Einziger direkt

fünf andere,

die man bei Problemen fragen kann."

Manuel Andrack, einst Köln,

jetzt Saarland

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