Sieben Gipfelstürmer und ein leerer Stuhl

Brüssel · Die Ukraine-Krise ist das Thema Nummer eins beim G7-Gipfel in Brüssel. Kremlchef Putin darf zwar nicht teilnehmen, sein Name ist jedoch in aller Munde.

Der erste Teil des Gipfels war schon ins Wasser gefallen, bevor Star-Gast Barack Obama seinen Fuß überhaupt auf Brüsseler Boden gesetzt hatte. Statt strahlendem Lächeln und Winken zum Publikum gab es eine Landung auf einem abgeschirmten Militärgelände bei wolkenbruchartigem Regen. Aus der pulsierenden Metropole Brüssel hatten die Sicherheitsbehörden eine Geisterstadt gemacht.

Unterbrochene Metro-Linien, 16 umgeleitete Bus-Verbindungen - wirklich freudig wurden die sieben Gipfelteilnehmer nicht empfangen. Dabei hatte Obama bis zuletzt daran gearbeitet, endlich wieder als der starke Mann nach Europa zurückkommen zu können. Nur wenige Stunden, bevor die Staats- und Regierungschefs der USA, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Kanadas und Japans zusammenkamen, segneten die Verteidigungsminister der Nato ein paar Kilometer entfernt die Aufstockung von Truppen in Osteuropa ab. Obama selbst hatte zuhause ein ehrgeiziges Klimaschutz-Programm durchgepaukt. "Der Präsident will zu alter Stärke und amerikanischer Vormachtstellung zurückkehren", sagte gestern ein Mitglied der US-Delegation. Das gelte weniger für die anderen sechs Partner als vielmehr mit Blick auf denjenigen, dessen Stuhl jetzt schon zum zweiten Mal leer blieb: Russlands Präsident Wladimir Putin.

Unmittelbar nach der Krim-Invasion hatten die G7-Staaten beschlossen, das eigentliche geplante Treffen zu acht in Sotschi abzusagen und unter sich zu bleiben. Auch gestern ließ Putin noch einmal verbreiten, dass das Format dieser Runde für ihn "ohnehin eher unbedeutend" sei, da Moskau sich intensiv im Kreis der G20 engagieren wolle. Als der Gipfel schließlich mit einem fulminanten Abendessen auf Einladung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionschef José Manuel Barroso begann, war die Beschlusslage eigentlich schon klar. Es gehe um einen "Dreiklang", hatte Angela Merkel in einer Regierungserklärung vor ihrer Abreise das Ziel umrissen: gezielte Unterstützung der Ukraine, Dialog mit Russland sowie Deeskalation. "Sollten die Tendenzen der Destabilisierung und Einschüchterung der Ukraine nicht aufhören", so die Kanzlerin, sei der Westen bereit, "weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen".

Die Konsequenzen aus dieser Kampfbereitschaft aber gehörten zu den Themen des Gipfel-Abendessens. Denn dass zumindest Europa unter der Revanche Moskaus leiden würde, ist absehbar. "Wir fordern den russischen Präsidenten auf, die Energie nicht als politische Waffe zu benutzen", hatte Barroso am Nachmittag gewarnt. Zwar wären davon nur vier der G7-Staaten direkt betroffen (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien), doch auch die übrigen drei wissen: Ein solcher Schritt könnte die anspringende Weltkonjunktur belasten und würde somit auch über Europa hinaus Folgen haben. Denen will man begegnen - vor allem mit den geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, mit Kanada und Japan. Aber noch ist keines wirklich unterschriftsreif. Und ob diese Dokumente am Ende wirklich das hohe ökonomische Wachstum bringen, das man sich erhofft, sei auch noch offen, hieß es in Brüssel.

Heute wollen die sieben Staats- und Regierungschefs jedenfalls versuchen, vorhandene Hindernisse abzubauen, damit man weiterkommt. Anschließend reisen sie nach Frankreich zu den Feierlichkeiten zum D-Day und treffen dort auf den Mann, um den sie seit Monaten einen weiten Bogen machen: Wladimir Putin.

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HintergrundUS-Präsident Barack Obama hat Kiew gestern dauerhafte Unterstützung garantiert. "Die USA stehen hinter dem ukrainischen Volk - nicht nur in den kommenden Tagen oder Wochen, sondern in den kommenden Jahren", sagte Obama nach einem Treffen mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Warschau. Von dessen Vision für die Ukraine zeigte sich Obama "zutiefst beeindruckt". Zugleich warf er Kremlchef Putin mit Blick auf die Ukraine "dunkle Taktiken" vor. afp

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