Mietest Du noch, oder kaufst Du schon?

Berlin · „Trautes Heim, Glück allein“, heißt es zwar. Doch die Mehrheit der deutschen Haushalte wohnt immer noch zur Miete. Die niedrigen Zinsen könnten das ändern, sagen Experten – und meinen das auch als Warnung.

Mietest Du noch, oder kaufst Du schon? Diese abgewandelte Frage eines großen Möbelherstellers könnten sich die Deutschen bald häufiger stellen. Bisher war die Bundesrepublik (mit weitgehender Ausnahme des Saarlandes) ein ausdrückliches Mieterland. Viele Menschen träumten von den eigenen vier Wänden, doch leisteten sie sich kaum. In Zeiten niedriger Zinsen aber, meinen Experten, lohnt sich Kaufen vielerorts eher als Mieten. Kommt jetzt die Abkehr von Deutschland, einig Mieterland?

Im vergangenen Jahr lebten nach Zahlen des Statistischen Bundesamts nur 43 Prozent der rund 40 Millionen deutschen Haushalte in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus. 57 Prozent wohnten zur Miete. Dieses Verhältnis hat sich innerhalb von zehn Jahren kaum geändert. "Deutschland ist tendenziell eher eine Mieternation", sagt der Immobilienökonom Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Dabei hätte jeder dritte Mieter theoretisch genug Geld, ein Eigenheim zu finanzieren, wie die Institute Prognos und Allensbach für den Verband der Sparda-Banken ausgerechnet haben. Durchschnittlich koste ein Einfamilienhaus fünf Jahresnettoeinkommen eines Haushalts, etwa 223 000 Euro. Im Saarland und in Rheinland-Pfalz liegt der Faktor knapp darunter bei 4,8. Den höchsten Wert weist der Landkreis München mit 10,6 Jahreseinkommen auf.

Lange hätten steuerliche Vorteile das Vermieten so stark begünstigt, dass es sich nicht gelohnt habe, im eigenen Haus zu wohnen, sagt Voigtländer. Das ändere sich gerade. Im Jahr 2009 sei Kaufen in nur sieben Prozent der deutschen Landkreise wirtschaftlich attraktiver als Mieten gewesen - 2013 immerhin schon in 27 Prozent der Kreise. Vor allem im Osten lohnt sich demnach die selbst genutzte Immobilie - im Häuslebauer-Land Baden-Württemberg dagegen nicht.

Als Hauptgrund für die Trendwende gelten die stark gesunkenen Hypothekenzinsen. 2009 lagen sie laut IW Köln im Schnitt noch bei 4,4 Prozent, vier Jahre später bei knapp 2,8 Prozent. Dass das bei der Abwägung zwischen Kaufen und Mieten eine Rolle spielt, zeigen auch Anfragen auf Immobilienportalen, wo Kaufgesuche deutlich stärker zunahmen als Mietgesuche. Der Allensbach-Befragung unter 1851 Bundesbürgern zufolge plant fast jeder fünfte Mieter zu kaufen.

Doch wäre eine zunehmende Abwendung vom Mieterland gut? Deutschland ist europaweit eines der wenigen Länder mit einem etwa gleich großen Mietwohnungs- wie Eigentumsmarkt. Rund 45 Prozent der Wohnungen werden nach Daten der Landesbausparkassen von den Eigentümern selbst bewohnt. Nur in der Schweiz sind es noch weniger. In Frankreich und den Niederlanden dagegen lebt in fast 60 Prozent der Wohnungen der Eigentümer selbst. In Großbritannien liegt die Quote bei 65, in Italien bei 77, in Spanien sogar bei 82 Prozent.

Eigentlich überrascht das. Gelten eigene Immobilien doch als gute Absicherung gegen Inflation - und die Deutschen eher als ängstlich. Doch das ausgewogene Verhältnis von Mietwohnraum und Eigentum sorge für einen stabilen Immobilienmarkt, meint Voigtländer: "Deutschland gehört in puncto Schwankungen bei Wohnungspreisen zu den stabilsten Ländern weltweit." Wo weniger gekauft und Kredit dafür aufgenommen werde, gebe es keine Immobilienblasen wie in Spanien oder den USA.

Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund warnt allerdings vor überstürzten Käufen. "Es gibt keine Garantie, dass die Zinsen in zehn Jahren immer noch so niedrig sind" - das Haus sei dann aber oft noch nicht abbezahlt. In anderen Ländern, wo es weniger Alternativen zum Wohneigentum gibt, kommen selbst einkommensschwache Haushalte nicht ums Kaufen herum und müssen sich ohne Sicherheiten hoch verschulden. In den Niederlanden bekämen deshalb schon 20-Jährige großzügige Kredite, erzählt Han Joosten von der Bouwfonds-Immobilienentwicklung, einer Tochter der Rabobank. Davon könnten sie sich dann nicht nur die Wohnung, sondern oft gleich noch ein Auto leisten.

Und noch etwas sei im Nachbarland anders: "In Holland kaufen die Leute Wohnungen nicht als Kapitalanlage", sagt Joosten. Wohneigentum - das sei viel mehr eine Imagesache als in Deutschland.

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