Putins Rückkehr nach Berlin

Berlin · Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, begrüßt, dass der russische Präsident heute nach Berlin kommt. Wie Wladimir Putin sich danach verhalten muss, erklärte sie SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Wladimir Putin hat an seine letzte Reise nach Berlin keine guten Erinnerungen. Nur sechs Stunden hielt er sich im Juni 2012 in der Hauptstadt auf, kürzer als jeder Deutschland-Besuch des Präsidenten zuvor. Schon damals war das Verhältnis belastet. Putin war gerade in den Kreml zurückgekehrt und hatte westliche Reformhoffnungen unter seinem Vorgänger Dmitri Medwedew zunichte gemacht. Die Gespräche mit Merkel und Gauck waren kühl, schon damals schwelte der Syrien-Krieg.

Heute wird Putin erstmals seit vier Jahren wieder vor dem Kanzleramt vorfahren. So viel Zeit lag noch nie zwischen zwei Besuchen. Und das Verhältnis zum Westen ist so schlecht wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Nur wenige Meter von der Stelle entfernt, wo der "Eiserne Vorhang" Europa teilte, kommen nun Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande mit Putin zusammen, um auszuloten, was man überhaupt noch gemeinsam zustande bringen kann. Mit dabei ist der ukrainische Präsident Petro Poroschenko , weil es in erster Linie um den Friedensprozess in der Ost-Ukraine gehen soll. Merkel und Hollande wollen mit Putin aber auch über Syrien sprechen. Bomben auf Krankenhäuser und Hilfskonvois schockieren die Welt. Russland und seinem Verbündeten Assad werden Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Kann man in einer solchen Situation Putin überhaupt in Berlin empfangen? "Sprechen ist immer wieder notwendig, auch wenn die Meinungen sehr stark auseinander gehen", sagt Merkel. Dennoch kann der Besuch Putins für sie zur schwierigen Gratwanderung werden. Wenn nichts herauskommt, könnte am Ende einzig Putin davon profitieren. Für den Kreml ist die Reise nach Berlin eine Genugtuung. Von Isolation keine Spur - so sieht es Moskau. "Russland fühlt sich verletzt, wenn der Westen die Gespräche immer nur auf die Konflikte in Syrien und in der Ukraine verengt", sagt der Politologe Wladislaw Below. Zwar seien das wichtige Themen. "Aber Moskau fühlt sich unabhängig davon. Der Kreml versteht sich nicht als Konfliktpartei, sondern als Konfliktlösungspartei", betont der Experte von der Akademie der Wissenschaften in Moskau.

Sein Kollege Viktor Mironenko sieht es bereits als Erfolg, dass die Verhandlungen überhaupt stattfinden. "Merkel hält den Gesprächskanal zu Russland offen, während es mit den USA und Frankreich keinen wirklichen Dialog mehr gibt", meint der Politologe. Das ist die große Chance des Treffens für Merkel. In der Ukraine-Krise hat Deutschland auf der Seite des Westens schon lange die Federführung in den Verhandlungen mit Russland. Jetzt soll der Ukraine-Gipfel genutzt werden, um den Gesprächsfaden auch in Sachen Syrien aufrechtzuerhalten. Und das in einer Situation, in der zwischen Washington und Moskau nicht mehr viel geht. Trotzdem gab sich Merkel gestern zurückhaltend: "Sicherlich darf man keine Wunder erwarten." Frau Göring-Eckardt, was erwarten Sie von der Begegnung Merkels mit Putin heute?

Göring-Eckardt: Es ist gut, dass es wieder ein hochrangiges Treffen zum russisch-ukrainischen Konflikt gibt, an dem neben Putin selbstverständlich auch der ukrainische Präsident Poroschenko teilnimmt. Der Krieg in der Ukraine dauert leider immer noch an. Die Frage wird nicht nur sein, ob man sich auf etwas einigen kann, sondern ob sich Putin an Regeln und Vereinbarungen halten wird und ob die Ukraine ihrerseits die verabredeten Reformen auch umsetzt.

Wann wäre das Treffen aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Göring-Eckardt: Der Kreml verfolgt sowohl in der Ukraine als auch in Syrien fundamental andere Interessen als Deutschland und die EU. Menschenrechte, Demokratie und das Wohl der Menschen vor Ort spielen dabei keine Rolle. Im Gegenteil: Putin setzt auf Destabilisierung und Gewalt. Im Falle der Ukraine bleiben die wesentlichen Forderungen des Minsker Abkommens für eine Entspannung der Lage: Waffenruhe, Abzug schwerer Waffen und ausländischer Kämpfer, vollständiger Zugang für die OSZE . Wenn sich der Kreml hier nicht bewegt, sehe ich nicht, wie man in der Ostukraine seriöse Wahlen abhalten könnte.

Muss man mehr Verständnis für die Politik Putins haben, wie einige fordern?

Göring-Eckardt: Vielleicht müssen wir ein größeres Verständnis für die Menschen in Putins Russland entwickeln. Russland durchlebt eine schwere wirtschaftliche Krise, während Präsident Putin das Land mit einem nationalistischen Kurs immer weiter in die Isolation führt. Die Leidtragenden sind die Menschen in der Ukraine und in Syrien, aber auch in Russland.

Das vollständige Interview finden Sie im Internet unter www.saarbruecker-zeitung.de/berliner_buero

Meinung:

Minimale Annäherung

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Ohne den russischen Präsidenten lässt sich weder das Morden in Syrien noch der immer wieder auflodernde Krieg in der Ukraine eindämmen. Insofern ist sein Besuch in Berlin überaus wichtig. Aber Vorsicht: Als großes Zeichen der Entspannung sollte das Treffen nicht gewertet werden. Denn es wird weder das Ukraine-Problem lösen, noch Putin dazu bringen, seine Unterstützung für Syriens Machthaber aufzugeben. Aber: Es geht darum auszuloten, wie man sich politisch wieder etwas annähern kann. Das ist positiv. Außerdem wird nur am Rande über Syrien geredet werden. Angela Merkel kuscht in dieser Frage nicht. Nur bewirkt hat sie mit ihrer Kritik bisher bei Putin noch nicht viel. Heute besteht vielleicht eine kleine Chance, das ein bisschen zu ändern.

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