„Putin setzt auf Destabilisierung“

Berlin · Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, begrüßt, dass der russische Präsident heute nach Berlin kommt. Was sie von Wladimir Putin erwartet, erklärte sie im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Frau Göring-Eckardt, was erwarten Sie von der Begegnung Merkel und Putin heute? Göring-Eckardt: Es ist gut, dass es wieder ein hochrangiges Treffen zum russisch-ukrainischen Konflikt gibt, an dem neben Putin selbstverständlich auch der ukrainische Präsident Poroschenko teilnimmt. Der Krieg in der Ukraine dauert leider immer noch an. Die Frage wird nicht nur sein, ob man sich auf etwas einigen kann, sondern ob sich Putin an Regeln und Vereinbarungen halten wird und ob die Ukraine ihrer seits die verabredeten Reformen auch um setzt.

Wann wäre denn das Treffen aus ihrer Sicht ein Erfolg?
Göring-Eckardt: Der Kreml verfolgt sowohl in der Ukraine als auch in Syrien fundamental andere Interessen als Deutschland und die EU. Menschenrechte, Demokratie und das Wohl der Menschen vor Ort spielen dabei keine Rolle. Im Gegenteil: Putin setzt auf Destabilisierung und Gewalt. Im Falle der Ukraine bleiben die wesentlichen Forderungen des Minsker Abkommens für eine Entspannung der Lage: Waffenruhe, Abzug schwerer Waffen und ausländischer Kämpfer, vollständiger Zugang für die OSZE. Wenn sich der Kreml hier nicht bewegt, sehe ich nicht, wie man in der Ostukraine seriöse Wahlen abhalten könnte.

Sollte die Kanzlerin auch das Thema neue Sanktionen gegen Moskau auf den Tisch bringen?
Göring-Eckardt:
Das hängt natürlich von Putin ab. Wenn er endlich Anstrengungen für den Frieden in der Ukraine und in Syrien zeigt, gibt es auch keine Notwendigkeit, über Sanktionen zu sprechen.

Muss man mehr Verständnis für die Politik Putins haben, wie einige fordern?
Göring-Eckardt:
Vielleicht müssen wir ein größeres Verständnis für die Menschen in Putins Russland entwickeln. Russland durchlebt eine schwere wirtschaftliche Krise, während Präsident Putin das Land mit einem nationalistischen Kurs immer weiter in die Isolation führt. Die Leidtragenden sind die Menschen in der Ukraine und in Syrien, aber auch in Russland.

Aber die Russen stehen offenbar zu ihrem Präsidenten.
Göring-Eckardt:
Trotzdem: Menschenrechte und Freiheiten werden in Russland immer rigoroser unterdrückt. Wirklich freie Wahlen finden schon lange nicht mehr statt. Zuletzt wurde die Menschenrechtsorganisation Memorial als ausländischer Agent eingestuft. Da bedarf es keines Mitleids für den Regenten Putin und keiner Kuschel-Besuche wie von Herrn Gabriel, sondern eine klar vernehmbare Kritik an dieser falschen Politik. All das heißt aber nicht, dass wir den Gesprächsfaden abbrechen müssen. Im Gegenteil, es fordert eine Verstärkung des Dialogs mit der russischen Regierung - aber eben auch mit Kräften der Zivilgesellschaft.

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