Obamas nicht mehr erwarteter Triumph

Washington. Bis zum Schluss hatten die beiden führenden Republikaner im US-Senat versucht, den neuen Abrüstungsvertrag mit Russland ("Start II") zu verhindern. "Die Regierung hat ein schlechtes Abkommen ausgehandelt", warnte Senator John Kyl (Foto: dpa) seine Kollegen vor einer Zustimmung

Washington. Bis zum Schluss hatten die beiden führenden Republikaner im US-Senat versucht, den neuen Abrüstungsvertrag mit Russland ("Start II") zu verhindern. "Die Regierung hat ein schlechtes Abkommen ausgehandelt", warnte Senator John Kyl (Foto: dpa) seine Kollegen vor einer Zustimmung. "Die haben mit den Russen so verhandelt, wie jemand, der zu einem Autohändler geht und sagt: Ich gehe nicht, bevor ich das Auto gekauft habe." Am Ende siegte Präsident Barack Obama (Foto: afp). Fast in letzter Minute war es dem Präsidenten und seinen Demokraten gelungen, genügend Republikaner auf ihre Seite zu ziehen, um bei der Abstimmung die nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Die Entscheidung fiel mit 71 zu 26 Stimmen, das heißt, mindestens 13 Republikaner stimmten mit den Demokraten. Start reduziert die Zahl der strategischen Atomsprengköpfe.

Obama, der die Resolution formal noch abzeichnen muss, kann damit am Ende eines schwierigen politischen Jahres seinen bislang größten politischen Erfolg feiern. Nun muss nur noch das russische Parlament sein Ja geben.

US-Präsident Obama erringt mit der Ratifizierung einen nach der Schlappe bei den Parlamentswahlen im November nicht mehr erwarteten Sieg bei seinem vordringlichsten sicherheitspolitischen Anliegen. Dass er es schaffte, genügend Republikaner zu überzeugen, könne in seiner Bedeutung nicht überschätzt werden, kommentierten gestern Medien und Experten.

Obamas Erfolg geht auf die ungewöhnliche Taktik zurück, mit der das Weiße Haus die republikanische Führung umging. Unermüdlich warben der Präsident, sein Stellvertreter Joe Biden und Außenministerin Hillary Clinton in persönlichen Gesprächen um Unterstützung bei moderaten Konservativen.

Rückendeckung lieferte eine breite Phalanx aus ehemaligen Sicherheitspolitikern der Republikaner und führenden Vertretern des amerikanischen Militärs. Die Regierung erhielt Unterstützung von allen ehemaligen republikanischen Außenministern und Nationalen Sicherheitsberatern sowie dem Vater des ersten Start-Abkommens, George H. W. Bush. Während der sechstägigen Debatte im Senat machte Obama außerdem kleinere Zugeständnisse bei den Begleitprotokollen, die das Abkommen in der Substanz nicht berühren.

Während Start II in der Sache nur kleine Fortschritte hin zur Erfüllung Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt bringt, hält der ehemalige Verteidigungsminister William Perry seine symbolische Bedeutung für zentral. "Alles, was wir in der Zukunft machen müssen - allen voran Iran - erfordert die Zusammenarbeit mit Russland." Ein Scheitern hätte diese Kooperation in Frage gestellt.

Mit der Ratifizierung bleibt Obama eine peinliche Schlappe erspart, die den USA im Ausland Glaubwürdigkeit gekostet hätte. Gleichzeitig gibt das heftige Tauziehen um ein in der Vergangenheit wenig kontroverses sicherheitspolitisches Thema einen Vorgeschmack auf die Kämpfe, die dem Präsidenten bevorstehen. Allen voran bei seinem Versprechen, das Atomteststopp-Abkommen zu ratifizieren und an einem neuen Abkommen über den Abbau taktischer Atomwaffen zu verhandeln. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im US-Senat, John Kerry stutzte Erwartungen weiterer Fortschritte bereits zurück. Auf die Frage, ob der Atomteststopp als nächstes auf der Tagesordnung stehe, meinte Kerry: "Es wird darüber im Moment nicht gesprochen."

Stichwort

Russland und die USA haben im sogenannten Start-Vertrag eine nukleare Abrüstung vereinbart. Die Abkürzung Start bedeutet auf Deutsch Vertrag zur Verringerung der strategischen Nuklearwaffen. Das Abkommen, das US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Dmitri Medwedew im April in Prag unterzeichneten, ist der umfassendste atomare Abrüstungsvertrag seit zwei Jahrzehnten. Es verpflichtet beide Staaten, die Zahl der nuklearen Sprengköpfe innerhalb der nächsten sieben Jahre von je 2200 auf 1550 zu reduzieren. Die stationierten Trägersysteme sollen auf jeweils 700 begrenzt werden.

Der erste Start-Vertrag wurde 1991 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossen. Er trat im Dezember 1994 in Kraft und lief im Dezember 2009 aus. dpa

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