Mexikanische Tänze und mahnende Worte

León. Der zurückhaltende deutsche Papst lässt sich feiern, er ist sichtlich angetan. Hunderttausende säumen die Straßen von dem weitab gelegenen Flughafen nach Léon im "Herzen Mexikos". Das Oberhaupt der Katholiken beginnt seinen Lateinamerika-Besuch in einem noch sehr katholischen Umfeld

León. Der zurückhaltende deutsche Papst lässt sich feiern, er ist sichtlich angetan. Hunderttausende säumen die Straßen von dem weitab gelegenen Flughafen nach Léon im "Herzen Mexikos". Das Oberhaupt der Katholiken beginnt seinen Lateinamerika-Besuch in einem noch sehr katholischen Umfeld. In dem Land der Trennung von Staat und Kirche schwenken sie bunte Fähnchen, lassen die Bierdosen kreisen und steigen auf Dächer, um ihren "Benedicto" zu begrüßen. Höchstens noch in Afrika nimmt man ihn so ausgelassen auf.Ein Volksfest gibt es nicht häufig, wenn Joseph Ratzinger auf Pastoralreisen geht. Immer hat der strenge Theologe mahnende Worte im Gepäck, steht auch sieben Jahre nach seiner Wahl zum Papst noch im Schatten seines Vorgängers Johannes Paul II. Dieser hat Mexiko fünfmal besucht. Also ist die Visite im konservativ-katholischen Bundesstaat Guanajuato eine gute Sache.

Denn hier wollte der "eilige Vater", der viel reisende polnische Papst, doch auch hin, schaffte es jedoch nicht. Auf großen Werbeflächen begrüßen bekannte Firmen-Logos nun ausgerechnet ihn, jenen Nachfolger Benedikt, der doch die Welt des glaubensfreien Kommerzes und des schnöden Mammons oft geißelt. Und in den Straßen von León boten ungezählte Straßenhändler Unmengen von Devotionalien und Andenken an, darunter immer noch Statuen und Bilder von Johannes Paul.

Auf eine "Geißelung" haben viele Mexikaner allerdings vergeblich gewartet. Von den Missbrauchsskandalen in der Kirche ist das bevölkerungsreichste Land der spanischsprachigen Welt in den vergangenen Jahren nicht verschont geblieben. Vor allem der Fall des Gründers der einflussreichen Legionäre Christi, des mexikanischen Priesters Marcial Marciel (1920-2008), hat der Kirche in Mexiko schwer geschadet. Der von Benedikts Vorgänger geschützte Mexikaner wurde des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Außerdem hat der Priester mit zwei Frauen drei Kinder gezeugt. "Benedikt fallen hier Lasten auf die Füße, die Johannes Paul hat anwachsen lassen", meinte ein der Kirche nahestehender Beobachter.

Benedikt wich diesem Problem und anderen heiklen Themen aus und überließ es den Zuhörern, Antworten in seinen Botschaften und Aktionen zu suchen. Während das Mexiko-Programm auf seinen Höhepunkt zusteuerte, eine Sonntagsmesse unter freiem Himmel mit hunderttausenden von Gläubigen, wandte sich der knapp 84-jährige Papst an die Kinder. Kinder des Landes, das seit Jahren einen blutigen Drogenkrieg mit mehr als 50 000 Toten über sich ergehen lassen muss. Die Begrüßungstänze sind vergessen, wenn der Papst an Gewalt und Hunger erinnert, an viele verwahrloste Kinder. Diesen möchte er eine Zukunft geben.

"Ihr, meine lieben jungen Freunde, seid nicht allein" oder "Ihr habt einen ganz speziellen Platz im Herzen des Papstes", das sind Sätze, mit denen Joseph Ratzinger auch bei Weltjugendtagen seine Fans findet - also bei jungen Katholiken, die mit den sehr konservativen Ansichten des Heiligen Vaters oft nur wenig anfangen können. Benedikt genieße die Freude, die ihm entgegenschlägt, er sei beeindruckt, macht sein Sprecher, Jesuitenpater Federico Lombardi, deutlich: Der deutsche Bücherwurm und frühere gestrenge Leiter der Glaubenskongregation mag inzwischen ein Bad in der Menge.

Die fehlende Nähe zu den Menschen in Mexiko war es, was diese in den vergangenen Jahrzehnten dazu veranlasst hat, sich den missionierenden evangelischen Kirchen zuzuwenden. Benedikt forderte seine Kirche daher in einer seiner Botschaften auf, die soziale Arbeit zu verstärken. Mehr als 10 000 Kilometer und sieben Zeitzonen entfernt von Rom ist die Botschaft näher an seinen gängigen Mahnungen.

Immer geht es um den Schutz der Familie und des Lebens bis hin zu dem "Kampf gegen das Böse" - in diesem Land verkörpert durch die alles zerstörende Gewalt. Alle seien gefordert, dem Land Mexiko und der Jugend eine Zukunft zu geben: Der Staat und die Kirche, nicht zuletzt die Familie, die zusammenhalten muss. Als "Pilger des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe" bleibt es indess sein vorrangiges Ziel, die Christen zu stärken und seinem Ziel einer Neuevangelisierung nicht nur in der Alten Welt etwas näherzukommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort