Männer-Tränen und kalte Rache

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking presst die Lippen unter dem Schnurrbart zusammen. Nur so kann er die Tränen zurückhalten, bei seinem letzten Auftritt vor Mitarbeitern in Zuffenhausen. Familienpatriarch Wolfgang Porsche gelingt das nicht, ihm stehen die Tränen mehrmals in den Augen, immer wieder versagt die Stimme. Denn vor wenigen Stunden hat Porsche die Schlacht der Auto-Legenden verloren

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking presst die Lippen unter dem Schnurrbart zusammen. Nur so kann er die Tränen zurückhalten, bei seinem letzten Auftritt vor Mitarbeitern in Zuffenhausen. Familienpatriarch Wolfgang Porsche gelingt das nicht, ihm stehen die Tränen mehrmals in den Augen, immer wieder versagt die Stimme. Denn vor wenigen Stunden hat Porsche die Schlacht der Auto-Legenden verloren. Sieger sind die mächtigen Herren von Volkswagen. Bei diesen gibt es kaum Emotionen. Sie genießen ihre Rache kalt.

Das Finale der Auto-Saga um die beiden deutschen Industrielegenden begann mit einem Paukenschlag. Der Porsche-Aufsichtsrat kam völlig überraschend einen Tag früher zusammen als geplant. Und so schnell sollte er nicht mehr auseinander gehen. Die ganze Nacht über brannten die Lichter am Porsche-Sitz in Weissach. Nach und nach fielen die Entscheidungen zu den Fragen, über die monatelang gerungen worden war.

"Wie ein Löwe gekämpft"

Porsche erhöht sein Kapital um fünf Milliarden Euro, das Emirat Katar steigt ein, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking räumt seinen Stuhl. Von einer "sehr dramatischen Nacht", wie er sie in seinen 20 Jahren bei Porsche nie erlebt habe, sprach Wiedeking-Nachfolger Michael Macht am Tag danach. Und Porsche-Patriarch Wolfgang Porsche verkündete, Wiedeking habe in der Sitzung "wie ein Löwe gekämpft".

Wieder und wieder machen die Porsche-Lenker den Mitarbeitern in Zuffenhausen schmackhaft, dass der Sportwagenbauer künftig eigenständig bleibt und seinen Sitz in Stuttgart haben wird. Doch der Jubel der Mitarbeiter bleibt verhalten. Denn sie wissen, auch wenn das genaue Modell für die Verschmelzung von Volkswagen und Porsche erst bis Mitte August stehen soll: Das Zepter wird der VW-Konzern führen - und nicht Porsche, wie einst geplant. Denn Wendelin Wiedeking ist kurz vor dem Ziel gescheitert. Der seit dem Amtsantritt im Jahr 1993 märchenhaft erfolgreiche Porsche-Lenker hielt bei seinem Plan, den um ein Vielfaches größeren Volkswagen-Konzern zu übernehmen, schon mehr als 50 Prozent der Aktien.

Doch dann riss die Glückssträhne: Die Finanzkrise machte die für den endgültigen Erfolg nötige Börsen-Akrobatik zunichte. Und das VW-Gesetz, das Niedersachsen eine Sonderrolle bei Volkswagen gibt und eine Übernahme durch Porsche verhinderte, blieb bestehen. Dabei hatte die Porsche-Spitze in ihrem Plan fest mit einem Fall der Regelung kalkuliert. Es schlug die Stunde der Volkswagen-Mächtigen, die lange von der Porsche-Spitze düpiert worden war. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) kämpfte um den Einfluss seines Bundeslandes, in dem der Volkswagen-Sitz Wolfsburg liegt. Porsche-Enkel und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch kämpfte um seinen Lebenstraum, aus dem Volkswagen-Konzern den größten Autobauer der Welt zu formen. Als sich der Pulverdampf gestern verzogen hat, ist Piëch nicht zu sehen. Für das siegreiche Lager tritt Niedersachsens Ministerpräsident Wulff vor die Mikrofone, und rechnet mit kühlen Worten ab: Wiedeking sei "Fehleinschätzungen" erlegen. Die Fusion sei zum Nutzen beider Seiten, sagt Wulff. "Auch wenn es für einige Wenige nicht so gut ist." Diejenigen, die er meint, sind in Zuffenhausen. Es sind die Männer, die Porsche binnen 20 Jahren vom Sanierungsfall wieder zur Legende machten. Sie lecken nun öffentlich ihre Wunden, die sie in der Schlacht mit Wolfsburg erlitten haben - und nehmen Abschied von einer Ära. Es gibt große Worte, heftige Umarmungen und Tränen, vor allem von Wolfgang Porsche. Etwa, als er sagt: "Wiedeking hat Porsche aus der Not in die Höhen geführt, die für alle vorher undenkbar waren." Was er nicht sagt: Wiedeking hat Porsche am Ende ohne Not wieder in höchste Not geführt - und dem Sportwagenbauer eine der bittersten Niederlagen zugefügt. Wiedeking steigerte den Unternehmens-Wert von 300 Millionen Euro auf rund 25 Milliarden Euro im Jahr 2007

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