Herber Rückschlag für Obama

Washington. Senatsführer Harry Reid tat so, als habe er nie etwas anderes behauptet, als er den verdutzten Reportern auf dem Capitol Hill eröffnete, aus der Gesundheitsreform werde vor Anfang September nichts. Verantwortlich dafür seien die Republikaner, die im Finanzkomitee mehr Zeit verlangt hätten. Keine unvernünftige Forderung, meinte der Demokrat sogar

Washington. Senatsführer Harry Reid tat so, als habe er nie etwas anderes behauptet, als er den verdutzten Reportern auf dem Capitol Hill eröffnete, aus der Gesundheitsreform werde vor Anfang September nichts. Verantwortlich dafür seien die Republikaner, die im Finanzkomitee mehr Zeit verlangt hätten. Keine unvernünftige Forderung, meinte der Demokrat sogar.Das klang Anfang der Woche noch ganz anders. Da hatte Reid wiederholt versichert, das Gesetzespaket sei auf gutem Weg. Mit der Rolle rückwärts versetzten die Demokraten im Senat jetzt ihren Präsidenten, der sich keine 24 Stunden vorher auf einer live übertragenen Pressekonferenz an die Spitze der Gesundheitsreform gestellt hatte.Atmosphärisch hinterließ US-Präsident Barack Obama (Foto: afp) gestern Abend den Eindruck, als ahnte er bereits das Ungemach. Er wirkte müde, zuweilen ein wenig gereizt, als er sich auf die Details der Gesundheitsreform stürzte. Vielleicht das komplizierteste Thema in der amerikanischen Innenpolitik, und eines, an dem sich bereits fünf seiner Vorgänger im Weißen Haus erfolglos versucht hatten. Zuletzt Bill Clinton, dessen grandioses Scheitern 1993 nachhaltige Konsequenzen für seine Präsidentschaft hatte. "Ich verstehe, dass die Leute verunsichert sind", räumte Obama auf einer Pressekonferenz ein. Die Bürger seien skeptisch geworden, "was die Regierung leisten kann". Tatsächlich zeigen die jüngsten Umfragen, dass die Amerikaner angesichts der gewaltigen Defizite unwillig sind, weitere Milliarden-Verpflichtungen einzugehen. Doch der Präsident drehte das Argument um: Er gehe davon aus, die meisten Amerikaner seien gegen einen Plan, "der eine Verdoppelung der Gesundheitsausgaben über die kommenden zehn Jahre verspricht". Genau das bringe der Status Quo, der zum größten Defizit-Treiber der Regierung werde. "Wenn wir das nicht verändern, können wir kein anderes Ergebnis erwarten." Obama gibt sich kämpferisch. "Wenn Sie in dieser Stadt keine Deadlines setzen, passiert nichts." Genau dieser Fall könnte nun eintreten wenn es den Lobbyisten mit ihren prall gefüllten Kriegskassen nun gelingt, die Reform während der fünfwöchigen Pause im Kongress zu torpedieren.Meinung

Keine schlechten Chancen

Von SZ-Korrespondent Thomas Spang Trotz der schockierenden Reaktion des Senats bleibt es dabei, dass der Präsident dichter als jeder seiner Vorgänger davorsteht, das amerikanische Gesundheitswesen zu kurieren. Ein paradoxes System, das mit 2,5 Billionen US-Dollar (1,8 Billionen Euro) im Jahr teuerer ist als jedes andere der Welt - und dabei gleichzeitig bis zu 50 Millionen Amerikaner unversichert lässt. Tendenz steigend. Doch anders als bei der gescheiterten Clinton-Reform gibt es durchaus Einigkeit bei den großen Reform-Linien. Und wichtige Interessengruppen, wie die Ärzteschaft, ziehen diesmal mit an einem Strang. Wenn Obama die Meinungsführerschaft zurückgewinnt, stehen die Chancen für eine allgemeine Krankenversicherung weiterhin nicht schlecht. Sein größter Trumpf bleibt weiterhin das Vertrauen der Amerikaner in seine Person. Solange er an seiner Vision für eine allgemeine Krankenversicherung festhält, werden seine Landsleute die Medizin schlucken, die Obama dem Gesundheitswesen verschreibt. Selbst wenn sie bitter schmeckt.

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