Machtkampf zwischen alten Freunden

Teheran/Hamburg. Die Krise im Iran stellt selbst alte Freundschaften auf den Prüfstand. Ajatollah Ali Chamenei und Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani kennen sich seit mehr als 50 Jahren. Beide saßen zu Schah-Zeiten für ihre Idee im Gefängnis und wurden nach der Revolution 1979 zu den mächtigsten Männern der Islamischen Republik

Teheran/Hamburg. Die Krise im Iran stellt selbst alte Freundschaften auf den Prüfstand. Ajatollah Ali Chamenei und Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani kennen sich seit mehr als 50 Jahren. Beide saßen zu Schah-Zeiten für ihre Idee im Gefängnis und wurden nach der Revolution 1979 zu den mächtigsten Männern der Islamischen Republik. In seiner Freitagspredigt vergangene Woche hatte Chamenei nun zwar Rafsandschani als "Säule der Revolution" in Schutz genommen, der sich nicht durch den Gottesstaat bereichert habe. Doch machte er deutlich, dass er so stark wie nie zuvor politisch mit seinem alten Freund, der im Wahlkampf den Reformkandidaten Mir Hussein Mussawi unterstützt hatte, uneins ist.

Chamenei, das Oberhaupt des Landes, stellte sich kompromisslos hinter den ultrakonservativen Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Und jener hat den Multimillionär Rafsandschani und seine Familie öffentlich des Betrugs bezichtigt und damit einen Vertreter der alten Machtelite angegriffen.

Ahmadinedschad setzt auf eine knallharte Linie, um den Protest gegen seine umstrittene Wiederwahl zu beenden. Nicht nur versuchten Polizei, Revolutionsgarden und die von ihnen kontrollierten "Basidsch"-Milizen auch gestern wieder, jede Demonstration im Keim zu ersticken. Selbst frühere Vizepräsidenten, Regierungsmitglieder, Abgeordnete und andere Prominente wurden verhaftet. Bei einer Kundgebung am Samstag traf es auch die Rafsandschani-Tochter Faezeh Haschemi und vier andere Familienmitglieder, die für zwei Tage festgesetzt wurden - Beobachter sahen darin einen Warnschuss für Rafsandschani selbst.

Gemäß Verfassung hat der oberste Führer - seit 20 Jahren ist das Chamenei - bei allen politischen Entscheidungen das letzte Wort. Die Aktivitäten des Führers kontrolliert allerdings - ebenfalls gemäß Verfassung - der aus 86 Geistlichen bestehenden Expertenrat. Und der wird derzeit von Rafsandschani geleitet. Der Ex-Präsident schweigt seit der Wahl. Im Ausland kursieren aber immer wieder Gerüchte, er versuche bei den Klerikern in der religiösen Hochburg Ghom, südlich von Teheran, auszuloten, ob es unter ihnen eine Mehrheit für eine Beschneidung der Macht Chameneis gibt.

Eine Bestätigung für den Bericht gibt es nicht. Allerdings dürfte für Rafsandschani nach Einschätzung von Beobachtern kaum noch Platz bleiben, wenn sich Ahamdinedschad mit Rückendeckung Chameneis endgültig durchsetzt. "Rafsandschani als politischer Rentner kann sich keiner so richtig vorstellen. Für Reformer wäre Rafsandschani daher der geeignete Führer", sagte ein Beobachter. Anderseits würde der Ex-Präsidenten ein "Vabanque-Spiel" betreiben, sollte er versuchen, die Geistlichkeit hinter sich und gegen Chamenei - die oberste Institution im Gottesstaat - zu bringen. "Ich glaube, solche Berichte werden oft von Wunschdenken bestimmt", meint etwa der österreichische Iran-Experte Walter Posch.

Derweil sind die Ziele der politischen Opposition um Mussawi noch unklar. "Die Frage ist, ob diese Massenproteste über Wahlfälschung nun zum Wandel oder zum Umsturz des Systems führen sollen", sagte ein westlicher Diplomat in Teheran.

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