Kohls Pläne mit den Türken

London · Ein 30 Jahre altes Geheimdokument enthüllt, dass Bundeskanzler Kohl die türkischen Einwanderer als Problem empfand. Die SPD reagiert empört. Kohl selbst steht zu seinen damaligen Aussagen.

Wenn Regierungschefs miteinander reden, dann ist es wichtig, dass der Inhalt ihrer Unterhaltungen privat bleibt. Denn sonst sind keine freimütigen Konversationen möglich. Kein Wunder daher, dass die Protokolle solcher Gespräche der Geheimhaltung unterliegen. In Großbritannien allerdings werden sie nach 30 Jahren öffentlich gemacht. So wurde jetzt, nachdem Margaret Thatcher und Helmut Kohl schon längst aus ihren Ämtern ausgeschieden sind, bekannt, was der Bundeskanzler gegenüber der Eisernen Lady seinerzeit über türkische Einwanderer sagte. Und das hat es in sich.

Am 28. Oktober 1982 ist die britische Premierministerin Thatcher auf einem Arbeitsbesuch in Deutschland und trifft sich in Bonn mit Kohl. Man kommt schnell auf Berlin zu sprechen. Die Stadt habe Probleme, so Kohl: der psychologische Druck, mit der Mauer leben zu müssen, die Überalterung der Bevölkerung. Und dann hätte man noch diese vielen Türken. In drei Bezirken der Stadt gäbe es eine große Anzahl von türkischen Arbeitern und einige Grundschulen hätten mehr türkische als deutsche Kinder. "Das schaffe große Probleme", heißt es in dem Protokoll. Danach habe Kohl weiter ausgeführt: "Über die nächsten vier Jahre wäre es notwendig, die Anzahl der Türken in Deutschland um 50 Prozent zu reduzieren - aber er könne dies noch nicht öffentlich sagen."

Empörung bei der SPD

Das Problem sei nicht, dass die Türken Ausländer seien. "Deutschland habe keine Probleme mit Portugiesen oder Italienern, selbst nicht mit Südostasiaten, denn diese Gruppen würden sich gut integrieren. Aber die Türken kämen von einer sehr ausgeprägten Kultur und würden sich nicht leicht integrieren."

Die SPD reagierte empört auf Kohls Aussagen. Dieser leugne vermutlich noch heute, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und stehe damit in CDU und CSU nicht allein, sagte der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Roth, dem "Handelsblatt". Noch heute gebe es gegenüber in Deutschland lebenden Türken viele Vorurteile und Klischees. Kohl selbst steht zu seiner damaligen Position. Sie sei in Deutschland "Teil einer hinreichend und breit geführten Debatte zur Ausländerpolitik" gewesen. Kohl diskutierte damals mit Thatcher auch seinen Plan, wie er die Hälfte der Türken loswerden wolle: Man werde Verhandlungen mit der türkischen Regierung führen und man könne die Entwicklungshilfe aufstocken. "Er beabsichtige", heißt es in dem Protokoll, "die Versicherungszahlungen, die türkische Arbeiter gemacht hätten, zu kapitalisieren und ihnen eine Pauschalabfindung anzubieten." Das entsprechende Gesetz, das 1983 verabschiedet wurde und rückkehrbereitwilligen Türken eine Abfindung von 10 500 DM anbot, hatte aber wenig Erfolg. Nur knapp 100 000 Gastarbeiter - also weit weniger als die Hälfte der rund 1,5 Millionen in Deutschland lebenden Türken - wollten das Angebot annehmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort